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Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
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etwas ändern zu können, selbst wenn es mir gelungen wäre, die Fesseln abzustreifen und zu entkommen.
    Ich hielt es für besser, wieder das Bewusstsein zu verlieren.
    Als ich zu mir kam, tat mein Kopf immer noch weh. Zuerst glaubte ich, nach wie vor auf der Bahre zu liegen und in Bewegung zu sein. Nach einer Weile begriff ich, dass ich mich nur an das Gefühl gewöhnt hatte. In Wirklichkeit lag ich auf einer Pritsche und befand mich offenbar in einer kleinen Höhle, die gerade hoch genug war, dass ich aufrecht in ihr hätte stehen können. Zehn Schritte hätten mich vom einen Ende zum anderen gebracht, und halb so viele wären für die Breite erforderlich gewesen. Die scharfen Kanten wiesen darauf hin, dass diese Höhle von Menschenhand geschaffen war, vermutlich die Erweiterung eines vorhandenen Hohlraums. Etwas Nützliches schien dabei niemand im Sinn gehabt zu haben, denn für eine Zelle war sie zu groß und für etwas anderes zu klein.
    Licht kam von einer einzelnen Kerze in einer Wandnische links von mir. Eine Tür auf der gegenüberliegenden Seite, bestehend aus fest miteinander verbundenen Brettern, versperrte den Weg nach draußen. Wenn jemand in der Nähe gewesen wäre, hätte ich darauf hingewiesen, wie unnötig solche Vorsichtsmaßnahmen waren. Ich wäre gar nicht geflohen, weil ich viel zu große Angst davor gehabt hätte, mich zu verirren, und überhaupt: Derzeit gab es kaum einen Grund zur Klage. Endlich konnte ich mich ein wenig ausruhen. Die schmutzige Pritsche steckte vermutlich voller Läuse, aber sie war auch bequem. Jemand hatte mir die Schulter verbunden und schien dabei sogar recht behutsam zu Werke gegangen zu sein. Eine weitere Überraschung erwartete mich, als ich auf den Ellenbogen ein wenig in die Höhe kam und Brot sowie einen Krug Wasser entdeckte.
    Ich setzte mich ganz auf, stürzte die Hälfte des Wassers hinunter, brach einen Brocken vom Brot ab und kaute nachdenklich. Es war hart, aber nicht schal. Einer plötzlichen Regung folgend durchsuchte ich meine Taschen. Das kleine Messer, das ich beim Kartenspiel gewonnen hatte, war nicht mehr da. Erstaunlicherweise befand sich der Geldbeutel noch immer an Ort und Stelle – er enthielt nicht mehr den seltsamen Stein, wohl aber die Handvoll Münzen. Was mir noch sonderbarer erschien: Ich war noch immer im Besitz meiner Dietriche. Die Tür hatte kein Schlüsselloch, und vermutlich war auf der anderen Seite ein Riegel vorgeschoben. Dennoch, dass man mir die Dietriche – und auch den Geldbeutel – gelassen hatte, wies auf ein ungewöhnliches Maß an Ehrlichkeit bei den Leuten hin, in deren Gefangenschaft ich mich befand. So etwas verblüffte mich bei Mounteban, der selbst nach seinem »Sauberwerden« grundsätzlich unehrlicher gewesen war als die meisten anderen Kriminellen, die ich kannte.
    Im Großen und Ganzen erschien es mir gar nicht so schlecht, gefangen zu sein. Nach den letzten beiden Tagen – ich wäre beinahe gehängt worden, man hatte mich für eine Schlacht zwangsrekrutiert, ich war auf einem stinkenden Riesen geritten, Barbaren hatten versucht, mich mit Pfeilen zu spicken, und dann auch noch der Sturz von einer Felswand – war dies recht angenehm. Während ich mich hier drin befand, brauchte ich mir wegen Moaradrid und irgendwelcher anderer Dinge kaum Sorgen zu machen.
    Ich beschloss, nicht nur das Beste daraus zu machen, sondern auch zu versuchen, den gegenwärtigen Zustand zu verlängern, wenn ich konnte. Ich saß da, kaute Brot, beobachtete das Flackern des bernsteinfarbenen Lichts, das von der einsamen Kerze kam, zog Bilanz und kam zu diesem Ergebnis: Was ich mir für die absehbare Zukunft wünschte, war ein bisschen Öl für das Brot, etwas Käse und Wein anstelle von Wasser. Vielleicht konnten mir Verhandlungen diesen Luxus einbringen, obgleich ich mich fragte, was ich jemandem anbieten sollte, der angeblich bereits alles wusste.
    Zeit verging. Wie viel, blieb Spekulationen überlassen, denn ich hatte keine Möglichkeit, den Ablauf der Zeit zu messen. Immer wieder schlief ich ein, und bei anderen Gelegenheiten saß ich mit dem Rücken an der Wand oder lag mit offenen Augen auf der Pritsche, die angenehm nach Stroh roch. Ich aß den Rest Brot und teilte mir das Wasser ein. Plötzlich dachte ich an die Möglichkeit, dass man mich vielleicht in diese Zelle gesteckt hatte, damit ich hier starb – es war eine so erschreckende Vorstellung, dass ich fast in Panik geriet. Aber es ergab keinen Sinn. Warum sollte man mich

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