Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
Vom Netzwerk:
Pfades wachsenden Rhododendronsträucher groß genug, um selbst Salzleck zu verbergen. Ein aufmerksamer Blick hätte zweifellos nackte Zehen bei den Wurzeln und die Spitze eines Ellenbogens zwischen den Zweigen bemerkt, aber Moaradrids Männer sahen nicht genau genug hin, und sie gaben sich auch keine Mühe, unauffällig zu bleiben. Sie sprachen leise miteinander, und ihre Kettenhemden rasselten bei jedem Schritt. Ich zählte sechs Mann, die an uns vorbeistapften.
    Wir warteten, bis es vollkommen still geworden war, und erst dann verließen wir unser Versteck. Ich fühlte mich durch die Begegnung mit dem Feind sogar erleichtert, insbesondere nach dem Schrecken, den uns die Hunde eingejagt hatten. Es war viel zu leicht gewesen, sich Moaradrids Heer als eine unerbittliche Faust vorzustellen, die sich um uns schloss. Zu wissen, dass seine Streitmacht aus Menschen bestand, die Fehler machten, empfand ich als seltsam beruhigend.
    Dennoch, die Patrouille bestätigte, dass Moaradrids Soldaten nach uns suchten und dass sie sich in der Nähe befanden. Nach dieser Begegnung sprach niemand von uns, als wir den Weg fortsetzten. Wir wählten die schmalsten Pfade durchs Gebüsch, kaum mehr als solche zu erkennen, und dabei kamen wir so langsam voran, dass wir genauso gut hätten kriechen können. Aus dem Abend wurde Nacht, während wir durch den Wald schlichen, durchs Dickicht aus feuchten Blättern und spitzen Dornen. Manchmal öffneten sich unerwartete Mulden und Gruben vor uns, und mehr als einmal wären wir fast gestürzt. Ich wagte nicht stehen zu bleiben, aus Furcht, den Anschluss zu verlieren. Ich wagte auch nicht, etwas zu essen – das kleinste Geräusch konnte Moaradrids Horden auf uns hetzen.
    Schließlich machten wir zwischen zwei Hügeln halt, umgeben von Brombeersträuchern und Weißdorn, die weniger kühnen Reisenden als undurchdringliche Barriere erscheinen mussten. Zehn Minuten lang krochen wir durchs dichte Gestrüpp, und ich dachte schon, dass Mounteban diese Route aus Dummheit oder reinem Sadismus wählte. Doch auf der anderen Seite der natürlichen Barriere merkte ich, wie gut dieser Ort vor Beobachtern und den Elementen geschützt war. Einen Ort, der mehr Sicherheit und Komfort bot, hätten wir kaum finden können.
    Trotzdem bestand Mounteban auf der Einteilung von Wachen und fügte hinzu, dass er die erste übernahm. »Leistest du mir Gesellschaft?«, fragte er Estrada. »Wir könnten unsere Pläne für morgen besprechen.«
    »Natürlich«, erwiderte sie und folgte ihm in die Dunkelheit.
    Ich war froh, als sie verschwanden. Die Pläne für den nächsten Tag hätten mir kaum gleichgültiger sein können. Ich legte mich auf den Boden und nahm mir gerade noch Zeit genug, den Mantel um mich zu wickeln, bevor mir die Augen zufielen. Den Geräuschen nach zu urteilen, folgten die anderen meinem Beispiel; Salzleck fiel wie eine gefällte Eiche. Eine Minute später übertönte sein Schnarchen das Rascheln der Blätter im Wind. Ich lag da, lauschte und hatte das sonderbare Gefühl, dass sich mein Körper noch immer bewegte, obwohl ich auf dem Boden lag.
    Nach einer Weile stellte ich entsetzt fest, dass ich nicht einschlief. Ich war fix und fertig, doch der Schlaf wollte einfach nicht kommen. Je mehr ich mich bemühte, desto weiter rückte er fort. Viel zu deutlich spürte ich die Kühle, den Mondschein auf den Lidern und die vielen harten Stellen im Rücken – das alles hielt mich wach.
    Schließlich öffnete ich die Augen und setzte mich auf. Mir fiel ein, dass auch Mounteban und Estrada wach waren, irgendwo in der Finsternis saßen und miteinander sprachen. Fünf Minuten in ihrer Gesellschaft würden mich vielleicht schläfrig machen. Vielleicht hielten sie nichts davon, dass ich sie störte, aber Takt war die letzte meiner Sorgen.
    Es blieb die Schwierigkeit, sie zu finden. Der von oben durchs Blätterdach filternde Mondschein zeigte mir kaum mehr als unterschiedliche Schattierungen von Schwarz, das dort etwas dichter wurde, wo die Büsche und Sträucher wucherten. Auf keinen Fall wollte ich riskieren, über einen von Mountebans Männer zu stolpern und ein Messer in den Bauch zu bekommen. Ich entschied, auf Händen und Knien zu kriechen, und zwar an den Büschen lang. Es war ziemlich viel Mühe für ein bisschen Gesellschaft, aber inzwischen war ich so wach, dass mir alles andere hoffnungslos erschien. Wenn die Aussicht bestand, dass mich ein Gespräch müde genug werden ließ, um doch noch einzuschlafen, so war

Weitere Kostenlose Bücher