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Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
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es die feuchten Knie wert.
    Nach einer Minute glaubte ich, gedämpfte Stimmen zu hören. Ich kroch weiter und erkannte Mountebans ruppigen Ton – er sprach so leise, dass ich keine Worte verstehen konnte. Ich ließ mir davon den Weg weisen und blieb in Bewegung. Eine Zeit lang blieb alles still, und ich befürchtete schon, das Ziel verfehlt zu haben.
    Dann erklang Estradas Stimme in der Nähe. »Ich habe es nie gewollt«, sagte sie.
    »Ach?«
    »Im Ernst. Ich habe nur getan, was nötig ist.«
    »Was war nötig?«
    Es lag eine gewisse Schärfe in beiden Stimmen. Ich beschloss, nicht auf meine Präsenz hinzuweisen, blieb still liegen und lauschte.
    »Castilio, ich habe wirklich nie beabsichtigt, dich zu täuschen.«
    »All die Besuche … Haben auch alle anderen in Muena Palaiya so viel Aufmerksamkeit bekommen? Zuerst verstand ich es nicht. Ich fragte mich, warum eine Frau wie du solchen Aufwand betreibt, um die Unterstützung eines Halunken zu bekommen.«
    »Wir brauchten deine Hilfe.« Estrada schien den Tränen nahe zu sein. »Es hat keinen Sinn, noch länger darüber zu reden. Ich gehe jetzt schlafen und hoffe, du schlägst es dir aus dem Kopf.«
    Ich hörte das Rascheln ihres Mantels, als sie aufstand. Dann kam ein anderes Geräusch, das ich mit plötzlicher Bewegung in Verbindung brachte. Estrada schrie auf, verstummte dann aber plötzlich. Es folgte ein lautes Plumpsen, wie von zwei Körpern, die auf den Boden fielen, das Knacken von Zweigen und weitere halb erstickte Schreie von Estrada.
    Mounteban stöhnte schmerzerfüllt, und Estrada schluchzte. »Hör auf!«
    Ich war auf den Beinen, noch bevor ich einen klaren Gedanken fassen konnte.
    »Lass sie in Ruhe!«
    Stille senkte sich auf uns herab. Ich wusste noch immer nicht genau, wo sich Mounteban und Estrada befanden. Momente vergingen. Die Dunkelheit schien sich um mich herum zu verdichten, und die Stille lastete schwer auf mir.
    » Oder was?«
    Ich drehte mich um und starrte in die Richtung, aus der Mountebans Stimme gekommen war.
    »Was willst du tun, du kleiner, armseliger Dieb?«
    Gute Frage. Die offensichtliche Antwort lautete, dass ich ihn kurz dadurch ablenken würde, mir von ihm den Schädel zertrümmern zu lassen, bevor er sich wieder Estrada widmen konnte. Warum hatte ich nicht die Klappe gehalten? Allein hatte ich nicht die geringste Chance gegen Mounteban.
    Aber ich war nicht allein.
    »Was ich tun will?«, erwiderte ich mit mehr Mut, als in mir steckte. »Ich rufe Salzleck. Und ich sage ihm, was du mit seinem Freund machen wolltest. Wie wär’s damit, Mounteban? Es dürfte ihm wohl kaum gefallen.«
    »Er wird dich nicht hören.«
    »Vielleicht hast du recht. Sollen wir es ausprobieren?«
    Ich hörte ein kleines Platschen, als Mounteban ins kurze Gras spuckte. »Ihr drei habt euch verdient.« Und damit stapfte er durch die Dunkelheit davon.
    Als ich sicher sein konnte, dass er nicht mehr da war, fragte ich: »Ist alles in Ordnung mit dir?«
    »Nein, Easie. Es ist nicht alles in Ordnung.«
    »Zum Glück bin ich rechtzeitig hier gewesen.«
    »Er hätte mir nichts getan.« Estrada schien doch tatsächlich zornig auf mich zu sein. Dann brach ihre Stimme, und sie begann leise zu weinen.
    Ich wollte etwas sagen, das sie tröstete oder zumindest still werden ließ, aber mein Vorrat an Feingefühl war aufgebraucht. Wortlos setzte ich mich, und mit nach vorn gebeugtem Kopf bemerkte ich, wie der Schock darüber, fast zusammengeschlagen worden zu sein, die Müdigkeit ganz plötzlich zurückkehren ließ. Mir blieb gerade noch Zeit genug, mich hinzulegen und den Mantel über mich zu ziehen.
    Das Wiegenlied von Estradas leisem Schluchzen begleitete mich in den Schlaf.
    Schwaches Tageslicht und Estradas Hände, die an meinen Schultern rüttelten, weckten mich aus tiefem Schlummer. Ich blinzelte, brummte etwas, das wie »Lass mich in Frieden, du verrückte Frau« klingen sollte und rollte mich herum.
    Dann wurde mir das Seltsame an der Szene klar. Die Sonne stand viel zu hoch und war auch noch zu warm für den frühen Morgen. Erneut öffnete ich die Augen und sah erneut in Estradas von Panik gezeichnetes Gesicht.
    »Was ist los?«
    »Sie sind weg.«
    »Was? Wer ist weg?«
    »Mounteban. Seine Männer. Sie haben uns verlassen. Sie sind alle weg, Damasco.«

12
    D ies alles ist deine Schuld.«
    Estrada schien ob meines Vorwurfs nicht nur verletzt, sondern auch verärgert.
    »Ich meine nicht das, was letzte Nacht passiert ist«, fügte ich schnell hinzu. »Ich

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