Im Schatten der Königin: Roman
hofft, dass die Schwester seiner verstorbenen Gattin wenn nicht ihn, dann doch einen Gatten seiner Wahl heiratet, einen seiner österreichischen Erzherzöge zum Beispiel, damit England wieder an Spanien fällt. Ein schlechter Mensch könnte meinen, Ihr wolltet mir die Lage so düster wie möglich ausmalen, damit ich das meinem Herren weitermelde, so dass er das Weite sucht, die Königin sich selbst überlässt und sie, ein untröstliches, schwaches Weib, dem spanischen Bewerber um ihre Hand dann wie ein reifer Apfel in den Schoß fällt.«
Seine Mundwinkel zuckten, dann schnalzte er mit der Zunge. »In der Tat, Ihr seid ein Volk von Krämern.« Er steckte sich ein Stück der Pastete in den Mund, die ich ihm mitgebracht hatte, und schmatzte genüsslich, während er weitersprach. »Nun, wie es sich trifft, diktierte mir seine Exzellenz am Mittwoch den wöchentlichen Brief für Seine Majestät, und in diesem Brief ist davon die Rede, dass Sir William Cecil bei ihm darüber wehklagte, das Königreich befände sich am Rande des Ruins: die Königin sei ganz in Lord Dudleys Hand. Alle beide würden den Tod von Lady Dudley planen, und er befürchte das Schlimmste.«
Obwohl er es war, der aß, war ich es, der sich nun verschluckte und husten musste. Diego klopfte mir hilfsbereit auf den Rücken.
»William Cecil?«, stieß ich hervor.
»Ganz recht«, sagte Diego. »William Cecil, in dessen Haushalt noch kein spanischer Botschafter einen Spion hat einschleusen können, und glaubt mir, wir haben es durchaus und mit sehr viel Gold versucht. Sir William, der nie ein einziges unbedachtes Wort setzt und der uns Katholiken wahrlich nicht freundlich gegenübersteht, vor allem nicht den Spaniern. Dieser gleiche William Cecil war auf einmal die Mitteilsamkeit selbst. Mein Herr war, gelinde gesprochen, überrascht und noch mehr, als die Königin ihm und dem Rest der Welt am übernächsten Tag vom Tod Lady Dudleys unterrichtete. Am übernächsten Tag, versteht Ihr.« Er sah mich vielsagend an und biss erneut in seine Pastete, als hätten wir nur harmlosen Klatsch ausgetauscht. Ich musste ihn trotzdem nicht fragen, ob ihm bewusst war, was er mir da mitteilte. Diego war, wie er vorhin gesagt hatte, kein Narr. Warum er mir aber gerade etwas in die Hand gab, mit dem der erste Minister des Königreichs mindestens der Majestätsbeleidigung bezichtigt werden konnte und außerdem mit einem Schlag verdächtig wurde, selbst die Hand bei Amys Ableben im Spiel zu haben, war eine andere Frage.
Cecil war, wie Diego erwähnt hatte, kein Freund Spaniens. Er hoffte, die Königin mit einem Protestanten verheiraten zu können, dem schwedischen König etwa, und er war von Anfang an der wichtigste Beamte im Staat gewesen. Wenn die Königin durch solche Ränke Cecil und Robin gleichzeitig verlöre, ihre rechte und ihre linke Hand, dann mochte sie sich von diesem Schlag so schnell nicht erholen, und Philipp würde womöglich seinen Willen bei ihr durchsetzen. Ja, es lag durchaus im Interesse der Spanier, eine Lage heraufzubeschwören, bei der sich Cecil und Robin mit Beschuldigungen gegenseitig erledigten.
Doch würde de Quadra etwas Derartiges über Cecil erfinden? Kaum. Botschafter wurden dafür bezahlt, dass sie echte Neuigkeiten an ihren Herrn weitergaben. Würde Diego es erfinden, um es mir erzählen zu können? Das war nicht unmöglich, aber ich hoffte, dass ihm unsere Bekanntschaft ein wenig mehr wert war.
»Zu welcher Stunde genau sprach Cecil mit Eurem Herrn?«, fragte ich schließlich. Mit ein wenig Glück waren sie miteinander beobachtet worden, so dass man wenn auch nicht den Inhalt des Gesprächs, so doch einen Wortwechsel bezeugen lassen konnte.
»Seine Exzellenz hat mir das nicht anvertraut«, sagte Diego milde. »Er diktierte mir den Brief am elften September, doch in ihm berichtet er über die gesamte Woche, vom vierten September angefangen. Tag und Stunde jeder Unterredung pflegt er nicht festzuhalten, wisst Ihr. Nur darin, dass er erst am übernächsten Tag vom Tod Lady Dudleys hörte, darin drückte sich seine Exzellenz ganz genau aus.«
»Gott steh uns bei«, sagte ich, und er bekreuzigte sich.
»In der Tat, mein Freund, in der Tat.«
In dem Schweigen, das folgte, konnte ich Leute auf den Gängen reden hören, ohne ihre Worte auszumachen; nichts als Wellenschläge sich hebender und senkender Stimmen, die Geräusche von Stiefeln und schleifenden Kleidersäumen auf dem Boden. Ich roch den Gestank von zu vielen Menschen in einem
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