Im Schatten der Königin: Roman
sich in einem ständigen Wettrennen der Silben gegen die Zeit zu befinden, so schnell ratterten sie stets ihren Gedanken voraus. »Er befindet sich in Kew, wie angeordnet. Und soweit mir bekannt ist, hegen weder er noch Ihre Majestät derzeit Heiratspläne.«
Enttäuschung stand in seinen Augen, nicht über Robins Abwesenheit, sondern über mich. »Tomàs, ich bin kein Narr. Ihr braucht mich nicht mit Höflichkeiten abzuspeisen. Offen gesprochen: Wenn Ihr darauf rechnet, dass Euer Vetter mit alldem durchkommt und hier den Platz einnimmt, den mein König einmal innehatte, dann ist das kein gewagtes, sondern ein törichtes Glücksspiel. Besser, Ihr denkt an alte Freunde, die Euch helfen können, wenn die Herrlichkeit vorbei ist. Obwohl Ihr sie zu Beginn Eurer Freundschaft mit Mittelprächtigkeiten abgespeist habt.«
»Mittelprächtigkeiten?«, wiederholte ich und tat empörter, als ich mich fühlte. Als meine Base Jane und ich damals von Spanier zu Spanier liefen, mussten wir ihnen natürlich auch etwas anbieten, und das Versprechen, alle überlebenden Brüder Dudley würden für Philipp in Frankreich kämpfen, tat es nicht alleine. Also hatte ich mich darauf besonnen, dass ich für John Dudley öfter Geldgeber gesucht hatte, als es um die Gründung der Handelsgesellschaft gegangen war, die eine von Portugal unabhängige Handelsroute nach China und Indien finden sollte. Die betreffenden Kaufleute hatten zwar nicht China über die gesuchte Nordostpassage durch das Polarmeer erreicht, aber dafür einen offenen russischen Hafen und so Zugang zum Zaren, was uns einen direkten Handel mit den Russen einbrachte, ohne weiter über die Hanse oder die Schweden im Baltischen Meer gehen zu müssen. Was nun die Spanier betraf, so lagen sie sich mit den Portugiesen in den Haaren, seit der Papst die neue Welt zwischen ihnen beiden aufgeteilt hatte, und nahmen uns Engländer als Handelsrivalen ohnehin nicht ernst. Aber für einen Hinweis, wie sie die Portugiesen umgehen konnten, hatten sie sich in der Tat sehr dankbar gezeigt. Natürlich hatte ich gewisse Dinge ausgelassen, wie den Umstand, dass es keine eisfreie Passage und auch keine Flüsse gab, auf denen man von Cholmongory bis nach China reisen konnte, oder die Tatsache, dass die Hälfte der Expedition umgekommen war, als ihre Schiffe in der Nähe von Murmansk vom Eis eingeschlossen wurden.
»Mittelprächtig damals und mittelprächtig jetzt«, sagte Diego enttäuscht. Spanier im Allgemeinen mochte ich immer noch nicht, aber das Leben hat mich gelehrt, dass man sich Widrigkeiten besser zu Freunden macht, wenn man sie sich nicht vom Hals halten kann, und inzwischen hegte ich für Diego tatsächlich so etwas wie freundschaftliche Gefühle, mehr, als für manchen Engländer hier bei Hofe.
Offenbar würde mir die Wahrheit heute nicht weiterhelfen, also machte ich ein geheimnisvolles Gesicht und sagte: »Diego, auch ich bin kein Narr, und ich bin durchaus bereit, Euch mehr über my lords Pläne zu erzählen … wenn Ihr mir ein wenig Einblick in das Gespräch gewährt, das seine Exzellenz vor ein paar Tagen über my lady führte. Versteht doch, wir Engländer können nicht anders, wir müssen handeln, etwas unternehmen, nicht zurückstehen. Dagegen als Erster frei von der Leber weg zu sprechen, das bringt nur ein Kind latinischer Zunge fertig.«
»Hmmm …« Er neigte seinen Kopf zur Seite. »Ich glaube, ich lebe schon zu lange in England und muss mir Eure Sitten angewöhnt haben. Warum sollte es mich kümmern, was für Pläne ein Mann hegt, der doch wie sein Vater und Großvater enden wird?«
»Weil Ihr mich danach gefragt habt«, gab ich trocken zurück. »Außerdem mag ich ja ein einfacher Mann sein und nicht in der Lage, die Winkelzüge dieser Welt zu durchschauen, doch es scheint mir, dass der König von Spanien gewiss keine Franzosen auf dem englischen Thron sehen will.«
Das war eines der wenigen Pfunde, mit denen ich wuchern konnte. Die nächste Erbin – nun, da es außer unserer Königin keine Tudors mehr gab – war tatsächlich, wie er gerade selbst gesagt hatte, Mary Stuart, die Enkelin von König Henrys älterer Schwester Margaret. Sie war die Königin der Schotten und durch ihre Hochzeit gleichzeitig auch Königin von Frankreich. Es würde die Spanier entsetzlich zum Schwitzen bringen, Frankreich und England zu einem Imperium vereint zu sehen.
»Mir scheint außerdem«, fuhr ich fort und ließ Diego nicht aus den Augen, »dass König Philipp noch immer darauf
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