Im Schatten der Königin: Roman
Gebäude, wo keine Binsenteppiche die Notdurft auffingen, einen Gestank, den der Geruch der restlichen Pastete, die Diego gerade aufaß, kaum überdeckte. Die Königin würde ihre Residenz bald wieder wechseln müssen, damit diese hier gereinigt werden konnte.
Cecil. Vielleicht sollte ich erleichtert sein; die Möglichkeit, dass Amy ihrem eigenen Leben ein Ende gesetzt hat und sich damit zu einer Ewigkeit in der Hölle verurteilte, war gerade verschwindend gering geworden. Aber ich bezweifelte, dass Diego und noch weniger sein Herr, der spanische Botschafter, bereit wären, diese Aussage vor der Königin oder einem Gericht zu wiederholen.
»Ich glaube, Ihr wolltet mir noch ein wenig von den Plänen Eures geschätzten Vetters erzählen, Tomàs«, sagte Diego.
Welche Pläne Robin auch hegte, diese Neuigkeit würde sie bestimmt ändern. Aber das spielte jetzt keine Rolle; ich hatte ohnehin nicht geplant, dem Spanier mehr als Halbwahrheiten oder Harmlosigkeiten preiszugeben.
»My lady wird in Oxford beerdigt werden«, sagte ich. »In der Marienkirche. Wenn Ihr oder der Botschafter my lord die Ehre Eurer Gegenwart bei dem Trauergottesdienst geben wollt, dann werde ich Euch auch bald den Tag und die Stunde nennen können.«
Er blickte mich abwartend an, und mein Gewissen mahnte mich unbehaglich, dass er mir mit der Information über Cecil etwas wirklich Wichtiges gegeben hatte. Wenn ich ihm nicht ein Gleiches bot, dann war das nicht nur unehrenhaft, sondern würde diese spezielle Quelle zukünftig bestimmt zum Versiegen bringen. Doch was konnte ich sagen, das Robin nicht schaden würde?
»Sie wird ihn nicht heiraten«, murmelte ich. »Davon ist er überzeugt. Er sagte mir, er habe sie schwören hören, niemals zu heiraten, und er sei davon überzeugt, dass sie es so meine.« Den Umstand, dass Robin und die Königin damals noch Kinder gewesen waren, ließ ich aus.
Diego starrte mich an, als warte er darauf, dass ich lachte und bekannte, ihn nur gefoppt zu haben.
»Das ist lächerlich«, sagte er schließlich brüsk, als ich schwieg. »Jede Frau will heiraten. Das ist ihre natürliche Bestimmung, zu heiraten und Kinder zu gebären. Eine gekrönte Frau muss erst recht heiraten, denn jedes Königreich braucht einen Erben und einen Mann, der es regiert.«
»Da bin ich ganz Eurer Meinung«, pflichtete ich ihm bei, »aber Ihr habt mich nicht nach meiner Meinung gefragt, sondern nach der meines Herrn, nach seinen Plänen und danach, was er für die Pläne der Königin hält.«
»Das …«, begann Diego, unterbrach sich und presste die Lippen zusammen. Dann seufzte auch er. »Das ist wahr.«
Cecil , dachte ich. Aber warum? Wenn es nur darum ging, Robin loszuwerden, und Cecil nicht vor Mord zurückschreckte, dann wäre es wesentlich einfacher gewesen, Robin einen tödlichen Unfall erleiden zu lassen und nicht Amy. Außerdem konnte ich es mir nicht leisten, die Möglichkeit zu ignorieren, dass Diego mich vorhin belogen hatte, und in diesem Fall wusste ich genauso viel über Amys Tod wie vorher. Ich brauchte weitere Zeugen oder Beweise dafür, dass der überaus ehrenwerte William Cecil, den nie jemand, ob Feind, ob Freund oder Schmeichler, je als einen Mann beschrieben hätte, der seinen Gefühlen freien Lauf ließ und sich dabei verplapperte, William Cecil, der vorsichtigste Mann bei Hofe, der drei Regierungswechsel überlebt hatte, nun sowohl Robin als auch die Königin beim Botschafter einer ausländischen Macht bezichtigt hatte, Amys Tod zu planen. Verglichen mit dieser Ungeheuerlichkeit war die Vorstellung, er hätte Amy töten lassen, um ihrem Gatten seinen Einfluss bei Hof zu nehmen, geradezu plausibel. Vielleicht hatte Cecil auch schlicht und einfach die Tiefe der Verbindung zwischen Robin und der Königin nicht unter Einsatz seines eigenen Lebens prüfen wollen, denn was wäre geschehen, hätte man Robin statt Amy mit gebrochenem Genick am Fuß einer Treppe aufgefunden? Genau wie Robin jetzt der Hauptverdächtige in den Augen der Welt war, wäre es bei seinem eigenen Tod Cecil gewesen. Und Cecil mochte sich nicht sicher gewesen sein, ob die Königin ihn in einem solchen Fall nicht sofort dem Henker übergeben hätte.
»Letztendlich«, sagte ich, um Diego nicht die Gelegenheit zu geben, weitere Fragen zu stellen, während ich mir den Kopf zerbrach, »nützt es nichts, über Pläne zu sprechen, nicht in dieser Angelegenheit. Wir kennen die Frauen, mein Freund. Die Natur wird obsiegen, eines Tages. Doch nicht in
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