Im Schatten der Königin: Roman
überdies war es ihre Pflicht, die Dynastie ihres Vaters fortzusetzen. Da ich mich nur zu gut erinnerte, wie viele junge Engländer für Spanien im französischen Dreck gestorben waren, hoffte ich inbrünstig, dass ihr Gatte kein Ausländer wie Philipp sein würde, der uns für seine Zwecke ausbluten ließ, und damit stand ich nicht allein.
Angeblich hatte Philipp Elizabeth einen Antrag gemacht, kaum dass seine Gattin, ihre Halbschwester, unter der Erde lag, aber wenn er es tat, dann wurde er nicht angenommen. Er war nur der erste Mann von vielen, die man als zukünftigen König an Elizabeths Seite handelte. Mittlerweile ist es zu einem beliebten Wettsport unter den Adligen bei Hof wie unter den Bürgern in Stadt und Land geworden, darauf zu wetten, welcher Prinz von königlichem Geblüt aus welchem Reich sich als Nächstes um die Hand ihrer Majestät bewirbt. Nicht, dass ich mich an dergleichen Wetten beteilige. Das habe ich nicht nötig, und mein Geld ist mir dafür zu schade. Ich habe einträglichere Nebeneinkünfte. Schließlich bilden sich genügend Leute ein, dass sie sich jetzt an die Rockzipfel der Dudleys hängen müssten, und manchmal sind sie kompetent genug, dass ich sie nicht entmutige, sondern Robin weiterempfehle.
Diese Menschen vor meiner Tür kommen natürlich auch wegen des Klatschs, der nur ein paar Monate nach der Krönung losging, und keine Anzeichen zeigt, zu erlahmen: Dass ihre Majestät keinen Ausländer und auch keinen der zahlreichen Grafen, Barone und Herzöge aus unserem einheimischen Hochadel heiraten wird, die längst ebenfalls ihre Bewerbungen vorgetragen haben, sondern keinen anderen als meinen Verwandten und Patron, ihren Jugendfreund Robin Dudley.
John Dudley hatte sich vom jungen König Edward zum Herzog machen lassen, aber wer wegen Verrates hingerichtet wurde, konnte seinen Söhnen keine Titel und keinen Besitz vererben, und so waren Ambrose und Robin bisher weder Herzöge noch Grafen noch Barone. Wenn sich das ändern und Robin einen höheren adligen Rang einnehmen sollte, würde er das seiner Freundschaft mit der Königin verdanken, nicht seinem Blut, und damit wäre er für unseren Hochadel als Bewerber eine unsagbare Missachtung ihres eigenen Rangs. Dass Robin seit seinem achtzehnten Lebensjahr bereits verheiratet ist und daher gar nicht um die Hand der Königin anhalten kann, ob mit oder ohne neuen Titel, schert die Klatschmäuler dabei wenig. Unsere neue Königin ist selbst nur auf der Welt, weil ihr Vater, der alte König Henry, seine erste Ehe für ungültig erklärte und mit dem Papsttum brach, um ihre Mutter Anne Boleyn heiraten zu können. Aber der Klatsch, der mir ständig zu Ohren kommt, auf den ich manchmal sogar ganz offen angesprochen werde, der behauptet nicht, dass Robin, dem Amy keine Kinder geschenkt hat, beim Erzbischof von Canterbury um eine Auflösung seiner Ehe ersuchen würde, nein. Im April des letzten Jahres kam sogar einer der Leute des spanischen Botschafters zu mir. Da es sich dabei um einen der Männer handelte, die sich bei Königin Mary für die Begnadigung der Dudleys eingesetzt hatten, war ich so höflich wie möglich, auch wenn es schwerfiel, denn was er zu sagen hatte, war allerhand.
»Es heißt, Eure Lady habe eine Krankheit in ihren Brüsten«, begann er unverblümt, »und Lord Robert und die Königin warteten nur auf ihren Tod, um heiraten zu können.«
Ich gab mir alle Mühe, meine Wut über diese unverschämte Behauptung nicht zu zeigen. »Die Leute reden viel, wenn der Tag lang ist.«
»Dann geht es Eurer Lady gut?«, hakte er nach. »Es muss doch einen Grund haben, warum sie nicht als Hofdame der Königin bei Hofe weilt, so wie ihre Schwägerinnen, Lord Roberts Schwestern.«
»My lady bevorzugt das Landleben«, sagte ich steinern, »und da ist sie nicht die Einzige. Warum fragt Ihr nicht Cecils Sekretär nach seiner Herrin? Cecils Gemahlin weilt ebenfalls nicht bei Hofe, und ihm hat die Königin weit wichtigere Ämter übertragen als meinem Vetter.«
Darauf hätte er nun sagen können, dass sich niemand den biederen William Cecil, seines Zeichens Staatssekretär und erster Minister, als Ehebrecher vorstellen konnte, der nur auf den Tod seiner Gemahlin lauerte; von Robin Dudley hingegen, den man inzwischen bei Hofe den »Zigeuner« nannte, wollte man dies nur zu gerne glauben. Immerhin: Der Spanier war nicht entschlossen, auch noch diese Grenze der Höflichkeit zu überschreiten.
Andere hatten keine solchen Skrupel.
Der
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