Im Schatten der Königin: Roman
schaden.
»Frobisher«, fragte ich, »wenn ich jetzt Mrs.Ashley aufsuche, würde sie dann leugnen, deinen Namen je gehört zu haben?«
Er kniete sich vor mir hin. Das tat er sehr gekonnt, wie ein Höfling, aber Gaukler waren in dieser Kunst wohl noch weit geübter. »Nein«, sagte Frobisher, »das würde sie nicht, aber es würde Euch nicht helfen und mir nur schaden. Ich würde weder Lord Dudleys Patronage noch die … höher gestellter Personen je erhalten, und Ihr würdet ungewarnt nach Abingdon zurückkehren, ohne mich an Eurer Seite, der ich Euch nicht nur eines, sondern zwei Geheimnisse enthüllen kann, die ich in Eurem Auftrag dort herausgefunden habe.«
»In meinem oder in Mrs.Ashleys?«
»Mrs.Ashley habe ich noch keines von beiden enthüllt. Wenn ich sie Euch erzähle, werdet Ihr verstehen, weswegen. Aber Ihr werdet begreifen, warum ich damit warten möchte, bis wir wieder in Abingdon sind.«
Ich hörte Schritte auf dem Gang, und da ich keine Absicht hatte, Henry Sidney in meine Ermittlungen einzubeziehen, musste ich kurzfristig eine Entscheidung treffen.
»Geh zurück zu den Ställen«, sagte ich schroff, »und sorg dafür, dass wir frische Pferde erhalten. Du wirst mir dort das erste deiner sogenannten Geheimnisse erzählen, und wenn es dein ganzes Spionieren und Herumgerede wert ist, dann kannst du mich weiterhin begleiten. Aber nur dann. Wenn nicht, dann statte ich Mrs.Ashley doch noch einen Besuch ab, ehe ich Windsor verlasse.«
Henry Sidney kam nicht allein und nicht in Begleitung seines von mir fortgescheuchten Leibdieners; nein, er hatte seine Gemahlin bei sich, Robins Schwester Mall. Seinem Gesichtsausdruck nach war das ihre Idee gewesen.
»Vetter Blount«, sagte Mall, nachdem sie mich begrüßt hatte, »erzähle doch, was du in Cumnor herausgefunden hast. Ich habe nichts mehr von Robin gehört, seit er nach Kew gegangen ist, und ich würde mir eher die Zunge abbeißen, als mit den Tratschmäulern hier bei Hofe über Amy zu sprechen.«
Zwischen Amy und Mall hatte weder warme Freundschaft noch erkennbare Feindschaft geherrscht. Von einem Streit wusste ich nichts, und bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen ich sie gemeinsam sah, hörte ich auch keine Untertöne von Sticheleien, wie Frauen sie so gerne untereinander austeilen. Andererseits hatte Mall nie die Gegenwart ihrer Schwägerin gesucht, und als Amy bei uns in Kidderminster gelebt hatte, waren mehr Briefe von Mall an Margery eingetroffen als solche, die an Amy gerichtet waren.
»Ob ich lebe oder sterbe, hat nie einen der Dudleys gekümmert«, hatte sie einmal heftig zu mir gesagt. »Vielleicht, wenn ich ein Kind hätte. Vielleicht wäre dann alles anders. Er soll Vater und Mutter verlassen um ihretwillen, so heißt es in der Bibel über Mann und Weib, aber Robin hat niemanden verlassen, und wenn ich nicht bei ihm bin, dann vergesst ihr, ihr alle, dass es mich überhaupt gibt. Ja, auch du.«
»Über ihren Tod meint Ihr, my lady«, sagte ich zu Mall, die wie Robin die dunklen Haare ihrer Mutter besaß, aber anders als er John Dudleys graue Augen und seine helle Haut. Das Schuldgefühl, das in mir nagte, ließ meine Stimme verhärten. »Ihr Leben lag kaum jemandem am Herzen.«
Wie ich vorhergesehen hatte, errötete Mall, doch sie zögerte ihre Antwort nicht hinaus und begegnete meinem Blick, ohne fortzuschauen. Die Kinder meiner Base Jane waren nie verlegen darum gewesen, ihre Meinung zu äußern, auch wenn sie noch so unsinnig war.
»Vetter, ich will nicht leugnen, dass es liebere Verwandte für mich gibt als Amy. Doch sie dauerte mich, und ich wünschte ihr nie etwas Böses. Also sag mir, was du über ihren Tod weißt, denn keiner von uns kann sie ins Leben zurückbringen.«
»Mein Herz«, warf Henry Sidney ein und legte einen Arm um ihre Taille, »was geschehen ist, ist geschehen. Lass uns für die arme Seele beten, mehr kann man nicht tun. Was hilft es, zu wissen, wie sie starb?«
Auch ohne unsere vorherige Unterredung wäre mir deutlich gewesen, dass er seinen Schwager des Mordes für schuldig hielt, doch mit Rücksicht auf seine Gemahlin das nicht laut in ihrer Gegenwart aussprechen wollte. Wenn ich den Sinn seiner Worte erfassen konnte, dann musste dies für Mall, die ihm ein Kind geboren und Jahre an seiner Seite verbracht hatte, noch deutlicher sein. Sie löste sich von ihm.
»Die Unschuld meines Bruders zu beweisen und den Mörder seiner Gattin zu finden, hilft nicht nur! Nein, mich dünkt, es könnte gerade jetzt
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