Im Schatten der Königin: Roman
seinem Status als Robert Dudleys rechte Hand ab, der sich doch gewiss ändern würde, wenn der gehörnte Ehemann erfuhr, was da hinter seinem Rücken geschehen war. Damit hatte Tom Blount ein Motiv. So würde ich denken, wenn ich einer der Männer in Abingdon wäre, die damit betraut waren, ein Urteil über Amys Tod zu sprechen.
Und noch dazu …
Nein, daran durfte ich nicht einmal denken.
Aber der Gedanke ließ sich nicht so weit von mir schieben, wie ich es in diesem Moment gerne tun würde. Ohne Ansehen der Person, hatte Robin zu mir gesagt. Was würde passieren, wenn er erfuhr, was geschehen war? Bestand die Möglichkeit, dass er froh sein würde, das Unglück und den Tod seiner Frau einem anderen zur Last legen zu können, um seine eigenen Schuldgefühle ihr gegenüber zu lindern?
Der ehrliche Ned war diesmal weit weniger gastfreundlich, als Frobisher und ich tief in der Nacht vor seiner Tür standen, und wollte mir weismachen, alle Zimmer seines Gasthofes wären belegt. Dabei hatte ich noch kein Wort darüber gesagt, dass er mich mit seinen Halbwahrheiten über Barbara Cross und Oxford an der Nase herumgeführt hatte; dafür würde es später noch Zeit und Gelegenheit genug geben. Mir lagen schwerere Dinge im Magen, und es war spät.
Am Ende landete ich im Zimmer eines anderen Gastes, der schlaftrunken seine Einwilligung gab, nachdem ihm geschworen wurde, dass ich ein Mann von Ansehen und Vertreter meiner Gegend im Parlament war. Bis auf einen kurzen Dank meinerseits wechselten wir keine Worte, bevor er sich wieder auf seinem Lager zusammenrollte und alsbald zu schnarchen begann.
Frobisher würde die Nacht auf einer Bank in der Schenke verbringen. Ich war zu erschöpft, um mich zu fragen, ob er sich deswegen zu meiner Klette gemacht hatte, weil ihm früher als mir bewusst geworden war, dass ich selbst des Mordes verdächtig sein konnte und ein ungefährlicheres Erpressungsopfer abgab als ein Günstling der Königin. Nun, Sicherheit darüber würde ich erst haben, wenn er irgendwelche Forderungen stellte.
Ich bin zu alt für all das, dachte ich, wie schon zu oft in dieser Misere der letzten Tage. In meiner Jugend hätte ich nicht gezögert, zu handeln: Ich wäre die Nacht durchgeritten, hätte mir Pirto geschnappt und die Briefe, so es sie gab, notfalls aus ihr herausgeprügelt.
Mir wäre gar nicht erst in den Sinn gekommen, dass ich für meinen Vetter ein Bauernopfer abgeben könnte; der Glaube an unsere unbedingte gegenseitige Treue hätte mich den Schlaf der Gerechten schlafen lassen, ohne mich ständig daran zu erinnern, dass meine eigene Treue nicht unbedingt gewesen war, nicht Robin und nicht Margery gegenüber. Ich hätte auch keine Überlegungen hinsichtlich eines eigenen Bauernopfers angestellt und mich nie gefragt, ob ich aus Frobisher und Pirto Verdächtige machen konnte. Eine Zofe, die ihre Herrin bestahl, dabei ertappt wurde und in ihrem Schrecken – oder auch später mit kühler Berechnung – Amy einen Stoß versetzte. Ich hatte schon unglaubwürdigere Geschichten gehört. Den Umstand, dass Pirto gleichzeitig mit dem Rest des Gesindes zum Jahrmarkt gegangen war, ließ sich durchaus als Lüge ihrer Mitbediensteten zu ihren Gunsten erklären. Oder ich brachte ihren Galan ins Spiel, den sie herbeirief, um ihr zu helfen. Der sich ins Haus schlich, als niemand dort war. Der vielleicht sogar dabei gesehen worden war … und wen könnte man eher für den Teufel halten als einen Gaukler, der mir gegenüber selbst zugegeben hatte, diese Rolle regelmäßig zu spielen?
Es wäre so leicht, dachte ich. Und wusste doch, dass es dies für mich nicht sein würde.
Das Schnarchen des Fremden, mit dem ich das Zimmer teilte, war angenehmer zu hören als meine eigenen Gedanken, die nicht zur Ruhe kommen wollten, aber es war auch laut genug, um nur bei einem Vollrausch ignoriert werden zu können. Also schlief ich in dieser Nacht nicht. Stattdessen versuchte ich, an andere Wege zu denken, an Möglichkeiten, die es mir erlauben würden, Achtung vor mir selbst zu bewahren. Es gilt noch immer die Wahrheit über Amys Tod herauszufinden, sagte ich mir. Denk weniger daran, was der Brief für dich bedeutet, und mehr daran, was es für sie bedeuten könnte. Lass nicht zu, dass dich die Furcht um dein eigenes Leben zu einem Mörder macht. Denn darauf liefen meine düsteren Gedanken hinaus: Frobisher und Pirto würden hängen, da sie nicht das Recht hatten, den Tod durch die Axt zu finden. Ich war nicht bereit,
Weitere Kostenlose Bücher