Im Schatten der Königin: Roman
diesen Preis zu zahlen.
Oder?
Ich dachte an meine Söhne und Margery und stellte mir vor, was mit ihnen geschähe, wenn mir Amys Tod in die Schuhe geschoben wurde. »So viel Freude«, sagte Margery oft tadelnd zu mir, »wird im Leben nicht gefunden, weil die Menschen dafür nur nach oben schauen und das, was zu ihren Füßen liegt, nicht beachten.« Nun, ich hatte geplant, mehr Zeit für meine Kinder und ihre Mutter zu haben, wenn ich erst in Wohlstand, Amt und Ehren meine Laufbahn beschlossen hatte. Stattdessen würden Edward und Christopher mit der Schmach leben, die Söhne eines bekannten Ehebrechers und hingerichteten Mörders zu sein. Ich hatte immer gehofft, dass sie einmal einen Adelstitel tragen und eine Stellung einnehmen würden, die der von Robin gleichkam; so, wie es nun aussah, würden sie von Glück sagen können, wenn sie in Worcestershire eine Schweineherde ihr Eigen nennen durften. All die Zeit, die wir glücklich miteinander hätten verbringen können, würden wir nun nie mehr haben, wenn sich meine Befürchtungen erfüllten.
Die Gebete, die mir in den frühen Morgenstunden von den Lippen glitten, stammten aus jeder Zeit meines Lebens, sogar aus meiner Kindheit, und so waren auch einige in Latein dabei. Ich wünschte, ich wäre ein überzeugterer Protestant oder ein Katholik, dann wäre ich meiner Sache vielleicht gewiss gewesen, doch ich hatte mich nie dazu berufen gefühlt, für die eine oder andere Seite zu brennen. Gott vergebe mir.
Als wir uns in den frühen Morgenstunden ächzend erhoben, stellte sich heraus, dass ich den Raum mit einem Gelehrten aus Oxford teilte. »Herbert Maudlin«, stellte er sich vor, und ich dankte ihm ein weiteres Mal für seine Gastfreundschaft.
»Ihr habt ein Vertrauen in Gott und die Welt, um das ich Euch beneide«, sagte ich. »Ich hätte, trotz all meiner ehrenhaften Worte, auch ein Straßenräuber sein können.«
Er schüttelte lächelnd den Kopf. »So viel Vertrauen habe ich nicht. Ich habe Euren Namen erkannt, Master Blount. Schließlich bin ich Euretwegen hier.«
Ich versuchte, nicht zusammenzuzucken, und hoffte, dass mich solche Sätze nicht auf Dauer zwischen Fieber und Schüttelfrost hin und her jagen würden.
»Mein Freund Edmund Campion hat mir von dem armen Teufel Felton erzählt, der hier des Mordes an einem Knecht bezichtigt wird«, fuhr Maudlin fort. »Außerdem habt Ihr ihn beeindruckt mit Eurer Art, an Schwierigkeiten heranzugehen. Er hat mir Eure Sentenz zitiert, und ich dachte, warum das nicht gleich bei diesem Fall ausprobieren?«
Erst da erinnerte ich mich, was der junge Mann, dem ich in Oxford begegnet war, versprochen hatte. Offenbar waren es nicht nur leicht dahingesagte Worte gewesen, und sie beschämten mich. Edmund Campion, der Felton noch nicht einmal zu Gesicht bekommen und die Geschichte nur aus zweiter Hand von mir gehört hatte, dauerte ein unbekannter Tagelöhner genug, um einen Rechtsgelehrten für ihn zu finden, der ihn verteidigte – während mir die Furcht um meinen eigenen Hals Überlegungen eingab, die einem Straßenräuber besser anstünden.
»Habt Ihr Felton schon gesprochen?«
Maudlin schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bin erst am gestrigen Abend hier eingetroffen. Wollt Ihr mich begleiten?«
Das hatte ich eigentlich nicht vorgehabt, doch ich sagte mir, dass der Tod von Harkness immer noch einer Klärung bedurfte, ob er nun mit Amys Tod zusammenhing oder nicht. Außerdem schob es noch eine Weile den Moment hinaus, in dem ich herausfand, aus welchem Holz ich gemacht war, wenn ich Pirto gegenübertrat. Etwas jedoch musste ich vorher noch erfahren: Was das zweite Geheimnis war, das Frobisher herausgefunden haben wollte – Anthony Forsters sonntäglicher Aufenthalt.
Als ich in die Wirtsstube trat, sagte mir der ehrliche Ned mit einem schiefen Grinsen, mein Diener habe sich schon vor etwa zwei Stunden auf den Weg nach Cumnor gemacht, um ihnen dort meine Ankunft anzukündigen und ein Bad für mich bereiten zu lassen.
»Als ob Ihr eins braucht, Sir«, tönte er unangenehm vertraulich. »Das sind französische Sitten, wenn Ihr mich fragt, und spanische. Sagt selbst, als wir noch jung waren, hat es gelangt, dreimal im Leben zu baden – bei der Taufe, vor der Hochzeit, für das Totenbett. Was braucht der Mensch mehr?«
Ich hielt ihn für wenigstens fünf, wenn nicht zehn Jahre älter als mich, und natürlich hatte er unrecht; in meiner Kindheit hatte ich nie einen Franzosen zu Gesicht bekommen, aber alle zehn Tage
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