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Im Schatten der Königin: Roman

Im Schatten der Königin: Roman

Titel: Im Schatten der Königin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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hören doch immer nur, was sie hören wollen.«
    »Ich wollte die Wahrheit hören, Ihr undankbarer Knopf, und die habe ich bekommen, ohne dass Appleyard überhaupt gemerkt hat, was ich ihm da aus der Nase gezogen habe.«
    »Kann es sein«, fragte ich in dem grauenhaften Gefühl, eine Maus zu sein, die dazu verdammt ist, in einem Kreisel zu treten, »dass es überhaupt keine Briefe gibt und Pirto nur Geld von mir haben wollte?«
    »Nein.« Edith Odingsells schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht.«
    Es klopfte, und wir hörten Frobishers Stimme durch die Tür, die ich ihm rasch öffnete. Er hielt einen kleinen Krug in der Hand. »Claire Latimer war schon auf dem Weg hierher«, sagte er und reichte mir den Branntwein. Edith Odingsells warf ihm nur einen kurzen Blick zu, dann fuhr sie fort, wo er sie unterbrochen hatte.
    »Gott mag mir nicht die Fähigkeiten gegeben haben, Gedanken zu lesen, aber ich habe Pirto in den letzten Wochen und Monaten mit Amy Dudley beobachtet, und ich weiß, dass sie wirklich an ihrer Herrin hing. Sie war ihr nicht nur in Treue ergeben, sie hat my lady Dudley geliebt.« Mit einiger Schärfe und einem Blick auf mich setzte sie hinzu: »Wahrscheinlich mehr, als es sonst jemand getan hat, vor allem aus der Männerwelt!«
    »Ich wüsste nicht, was das damit zu tun haben soll, ob sie auch über die Briefe gelogen hat oder nicht. Sie hat weiß Gott über genügend andere Dinge gelogen«, sagte ich heftig und nahm es ihr übel, dass ich nicht anders konnte, als mich getroffen zu fühlen.
    »Briefe?«, wiederholte Frobisher verwundert. »Ich dachte, es ginge nur um einen.«
    »Da habt Ihr es«, sagte ich rasch zu Mrs.Odingsells und legte eine Bitte in meine Augen. »Sie hat ihre Geschichte ständig geändert, von einem Brief zu mehreren, und am Ende wird sich herausstellen, dass alles aus der Luft gegriffen war.«
    »Und habt Ihr Euch nie gefragt, warum sie das tat?«, gab sie zurück. »Wenn es ihr um Geld ginge, dann hätte sie schon längst ein Geschäft mit Euch oder mit John Appleyard gemacht. Und das wüsste dann jeder Mensch von hier bis nach Windsor, so laut, wie Appleyard sich darüber ausgelassen hätte. Nein, ich bleibe dabei, sie hat ihre Herrin über alles geliebt, und darin muss der wahre Kern für all die Geschichten liegen, die sie erzählt.«
    Frobisher setzte sich wieder auf die Truhe, die er vorhin für sich in Beschlag gelegt hatte. »Mistress, ich glaube, Ihr habt es getroffen, wenn Ihr meint, was ich denke, dass Ihr meint. Natürlich! Nichts ist ein mächtigerer Beweggrund.«
    »Mächtiger als Geldgier?«, fragte ich. »Frobisher, ich habe dich nicht davor gerettet, als Eiszapfen zu enden, damit du wieder in dein geheimnisvolles Gerede um nichts Verständliches zurückfällst. Sprich klar und deutlich.«
    »Rache«, sagte Frobisher, legte eine Hand auf seine Brust und schaute zur Decke, was wohl die angemessene Pose war, wenn er in den Wirtshäusern Reden von toten Königen und lebenden Helden hielt. »Rache ist der mächtigste Beweggrund von allen.«
    »Pirto hat ihre Herrin geliebt«, wiederholte Edith Odingsells. »Und sie musste mit ansehen, wie das arme Ding von ihrem Mann wie ein abgelegtes Kleidungsstück behandelt wurde, das man nicht mehr anziehen will und hierhin und dahin packt, überall, nur nicht an den eigenen Körper. Sie musste mit anhören, wie jedermann vor Amy über Euren Vetter Robin und die Königin klatschte. Und was Euch angeht, Tom Blount – Pirto hat erlebt, wie Ihr …« Nur einen kurzen Moment zögerte sie, dann fuhr sie fort: »Wie Ihr Amy erst freundlich in Kidderminster empfangen und sie dann wieder fortgeschickt habt, wie einen heißen Bratapfel, als es für Euch unbequem wurde.«
    Mir war klar, dass sie etwas anderes als freundlich empfangen hatte sagen wollen, doch auf meine stumme Bitte Rücksicht nahm, Frobisher und durch ihn Katherine Ashley davon nichts wissen zu lassen.
    Der Tadel in ihren Worten brannte dennoch nicht weniger scharf.
    »Das – das ist nicht so einfach gewesen«, sagte ich mit einem Kloß in der Kehle. »Als Gastgeber musste ich Rücksicht auf … auf meine eigene Familie nehmen.«
    »Mit anderen Worten«, fuhr Edith Odingsells unerbittlich fort, »Pirto hatte alle Gründe der Welt, Amy Dudley rächen zu wollen – an Eurem Herrn und Euch gleichermaßen. Und wenn eine Frau sich rächt, Tom Blount, dann tut sie das nicht auf einen Streich, sondern Schritt für Schritt. Es wundert mich gar nicht, wenn sie ihre

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