Im Schatten der Königin: Roman
ich ihm das Kind schenke, das er einmal haben wollte, und es ist nicht seins, nicht wahr?«
Ich will nur das, was mir zusteht, hörte ich Amy im Dunkeln flüstern. Das Entsetzen, das mich ergriff, war so stark, dass es mich taumeln ließ. Ich stütze mich mit beiden Händen auf dem Altar ab und fühlte, wie alles in mir aufschrie. Ein Kind, dachte ich, mein Kind! Sie war schwanger, und mein Kind ist mit ihr gestorben. Ich rang nach Atem, und mein gesunder Menschenverstand setzte wieder ein. Sie konnte nicht schwanger gewesen sein: Jetzt war September, und sie hatte Kidderminster im Mai verlassen. Jeder hier in Cumnor hätte darüber Bescheid gewusst. Doch die Kälte der Verzweiflung, die an meiner Wirbelsäule emporkroch, war dadurch nicht gebannt.
»Sie war nie …«, murmelte ich.
»Nein«, erklärte Pirto kalt. »Nein. Und da wusste sie, dass es an ihr lag. Es brach ihr das Herz. Danach wurde es bei ihr immer schlimmer mit den Beschwerden. Ich habe gehört, dass es bei Königin Mary ähnlich war. Sie wollte unbedingt ein Kind von dem Spanier haben, und eine Zeitlang dachte sie, sie bekäme eins, und sie ließ das ganze Königreich für sich und ihr Kind beten. Aber dann kam kein Kind, nur die Scheiterhaufen, und wir hörten, dass sie stattdessen eine Krankheit unter ihrem Herzen trug und dass es dieses Leiden war, das die Königin Mary von innen verzehrte. My lady wurde zuletzt auch verzehrt. Vielleicht war sie wirklich krank, und vielleicht war es nur ihr Herz, aber als sie begriff, dass sie nie ein Kind haben würde, da hatte sie keine Hoffnung mehr. Überhaupt keine. Ihn würde sie nicht mehr zurückbekommen, Euch hat sie nie wirklich gehabt, und nun nicht einmal mehr ein Kind. Wisst Ihr, wie das ist, überhaupt keine Hoffnung mehr zu haben, Master Blount?«
Ich schüttelte den Kopf. Es hatte nie einen Moment in meinem Leben gegeben, in dem ich die Hoffnung auf eine gute Zukunft verloren hatte, auch nicht, als ich das meiste meines Hab und Guts verlor, als John Dudley tot und seine verbliebenen Söhne im Tower waren, oder im Dreck von Frankreich, als das Blut von Robins Bruder uns ins Gesicht spritzte.
»Sie kannte sich selbst nicht mehr«, wiederholte ich mit belegter Stimme etwas, was jemand über Amy gesagt hatte, als ich nach Cumnor kam; ich erinnerte mich nicht, wer. »Ohne Hoffnung kennt niemand sich mehr.«
Pirto nickte. »Deswegen habe ich den Geschworenen nichts von den Briefen gesagt«, sagte sie. »Es stehen Dinge darin, die hat nicht my lady geschrieben. Nicht die Herrin, die immer die meine war. Das war eine andere Frau. Und Ihr habt sie dazu gemacht. Ihr verdient es, dafür bestraft zu werden. Ihr und der Herr, alle beide.«
»Warum«, fragte ich tonlos, und mein Herz schien mir schwerer zu sein als jemals zuvor, »hast du den Geschworenen dann nicht gesagt, wir seien schuld an ihrem Tod? Es wäre nur eine halbe Lüge gewesen. Meinst du denn, sie würden nicht wagen, gegen Lord Robert zu urteilen, weil sie glauben, die Königin würde ihn schützen?«
»Nein, deswegen nicht.« Pirtos Stimme war klar und kalt wie ein Wintertag. »Nicht so, wie Ihr das meint. Wenn ich gesagt hätte, Lord Robert hat sie getötet, oder Ihr, oder Ihr für ihn, dann hätte es danach nur zwei Wege gegeben, und ich wollte keinen von beiden beschreiten. Wenn die Geschworenen mir glauben und ihn schuldig sprechen würden, dann wartete sicher das Beil auf ihn, doch er würde als das Opfer einer Lüge sterben. Es gibt keine halben Lügen, Master Blount, aber es wundert mich nicht, dass Ihr nicht mehr wisst, was eine Sünde ist und was nicht. Ein Mann, der unschuldig stirbt, unschuldig zumindest an dem, was ihm durch falsche Zeugen zur Last gelegt wird, so ein Mann kommt nicht in die Hölle. Seine anderen Sünden werden ihm erlassen. Ja, glaubt Ihr denn, ich lasse zu, dass Lord Robert in den Himmel kommt, wenn my lady in der Hölle leiden muss?«
Wir werden alle in der Hölle brennen, hatte Mrs.Owen gemurmelt, Worte wiederholend, die von Amy stammen sollten, und nun hörte ich ihr Echo auch bei Pirto. Alle. Es hätte mir klar sein müssen, dass Amy nicht Befürchtungen über sich selbst geäußert hatte, sondern einen Fluch, der Robin genauso traf wie mich und vielleicht auch die Königin.
»Niemals«, fuhr Pirto fort. »Und wenn die Geschworenen mir nicht glauben würden und ihn freisprächen, dann stünde er vor aller Welt sogar als unschuldig und gerechtfertigt da. Wäre das denn gerecht? Nein! Deswegen habe ich
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