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Im Schatten der Königin: Roman

Im Schatten der Königin: Roman

Titel: Im Schatten der Königin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Immerhin klagte er nicht, was für ihn sprach.
    Natürlich hatte ich nicht die Absicht, mich auf ihn zu verlassen.
    Das Wirtshaus, in das wir einkehrten, war nicht mit denen in London zu vergleichen, sondern gerade mal zweistöckig, aber immerhin war der Innenhof anständig gepflastert und die Ställe wirkten gut gefüllt; es macht mich immer misstrauisch, wenn ein Wirtshaus des Nachts keine Gäste hat. Der Wirt klagte denn auch sofort, er habe eigentlich kein Zimmer mehr, aber schielte dabei schon nach dem Geldbeutel, den ich am Gürtel trug. Am Ende bekam ich einen ordentlichen Raum, sauber gekalkt, mit frischen Binsen ausgelegt. Das Brot war steinhart, aber man kann nicht alles haben, und zumindest das Bier war gut. Irgendwann murmelte der Wirt etwas von einer lebenden Bettpfanne. Die Vorstellung, für eine Weile den Anlass vergessen zu können, der mich nach Abingdon gebracht hatte, war verlockend, aber ich hatte die Dienstmägde bei Hofe noch in zu lebhafter Erinnerung – die Art, wie sie freudlos und auf Befehl den Wunsch ihrer Herren vorgetragen hatten –, und so lehnte ich zunächst ab. Immerhin gab mir das Angebot die Möglichkeit, das Gespräch in die gewünschte Richtung zu lenken.
    »Was gibt es Neues in Abingdon?«, fragte ich, als der Wirt den Teller mit besagtem Brot vor mir absetzte. »War’s nicht hier, dass der Teufel in eines Eurer Mädchen gefahren ist, vor zwei Jahren? In London haben sie Schriften darüber verkauft. Ein Glück, dass der Dämon ausgetrieben werden konnte. Die Papisten hätten sie sonst verbrannt.«
    »Drei Jahre ist das schon her, und es war nicht eine meiner Mägde«, sagte der Wirt abwehrend. »Kein Mensch spricht mehr darüber, und so soll es auch sein. Wenn Ihr meine Meinung hören wollt, Herr, der Teufel, der in dem Mädchen saß, ist in die Studenten in Oxford gefahren, so, wie die sich heutzutage aufführen. Leider ist es von dort nur ein Katzensprung hierher, und so müssen wir ausbaden, was den jungen Spunden so alles einfällt.«
    »Studentenstreiche sind keine Neuigkeiten«, sagte ich und merkte, wie mein Gesicht sich unwillkürlich gequält verzog. Da Cecil nach dem Kanzleramt für Cambridge strebt, hat Robin begonnen, sich um das für Oxford zu bemühen. Zu den Pflichten gehört es dann, sich Klagen von Dozenten und Bürgern anzuhören, und ich, Gott sei’s geklagt, bin derjenige, der sie schon im Vorfeld anhören muss, um zu entscheiden, welche Leute dabei für Robin wichtig sind.
    »Wohl wahr, Sir, wohl wahr. Aber keine fünf Meilen von hier ist ein großes Unglück geschehen, am Sonntag erst, und davon habt Ihr gewiss noch nicht gehört.«
    »Ein Brand?«, fragte ich, und er schüttelte den Kopf. Aus dem Innenhof drang plötzlich Gemurmel zu uns hoch und einige beifällige Rufe. Ich fragte mich, ob nach mir noch Gäste angekommen waren, aber das würde ich später herausfinden.
    »Lord Robert Dudleys Gemahlin ist tot«, erklärte er mit einer Mischung aus nicht sehr glaubwürdiger Betroffenheit und neugieriger Erwartung meiner Reaktion. Er fügte keine Erklärung hinzu, wer Lord Robert Dudley sei und warum der Tod seiner Frau eine solche Neuigkeit war. Noch vor zwei Jahren, dachte ich, hätte niemand erwartet, dass irgendein Reisender von Amys Existenz wusste, und selbst das Wissen, dass nicht alle Söhne John Dudleys tot waren, wäre nicht sehr weit verbreitet gewesen, geschweige denn ihre Namen. Das hatte sich gründlich geändert.
    »Grundgütiger«, gab ich mich erstaunt. »Der Herr möge ihrer Seele gnädig sein. Wie ist sie gestorben?«
    Der Wirt zuckte die Achseln. »Sie soll die Treppe hinuntergestürzt sein«, sagte er.
    Sie soll die Treppe hinuntergestürzt sein?
    »Soll?«, fragte ich. »War es ein Unfall, oder war es keiner?«
    »Das weiß man nicht«, entgegnete er. »Die einen sagen dies, die anderen das. Dabei war keiner … versteht Ihr?«
    »Aber wie kann das sein? Eine vornehme Dame hat doch gewiss ihre Dienerschaft um sich gehabt. Weiß denn ihr Gesinde nicht genau zu sagen, was sich zugetragen hat?« Vor allem wollte ich wissen, was sie anderen erzählt hatten. Ich war bereit, zu wetten, dass sie mir morgen nicht das Gleiche erzählen würden.
    »Ha!«, rief der Wirt triumphierend. »Das möchte man meinen. Aber denkt Euch, nicht einer war bei ihr, keine ihrer Frauen, kein Knecht. Sie waren alle zum Jahrmarkt gegangen, und als sie zurückkamen, da war die Lady tot. Könnt Ihr Euch das vorstellen, Sir?«
    Das Murmeln und Rufen im Hof

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