Im Schatten der Königin: Roman
für meine Talente sein.«
»Was, dass du mehr schlecht als recht auf einem Pferd sitzt, das dir nie gehören kann?« Ich beäugte ihn. »Wirklich mehr schlecht. Viel mehr schlecht.«
»Nein«, sagte er mit einem unverschämten Grinsen. »Dass es eines von Lord Roberts Pferden ist. Ich habe die Knechte überzeugen können, dass ich Euch nachgeschickt wurde, weil Ihr bei Eurem überhasteten Aufbruch allerlei vergessen habt. Die Überredung war, mit Verlaub, eine viel bessere Darstellung als alles, was während der Krönung dargeboten wurde. Mein Freund Burbage und ich waren geradezu empört über die Mimen damals und beschlossen sofort, selbst im Dienst der Musen viel Besseres zu leisten.«
Wenn schon zu nichts anderem, dann hatte er mir zu einer Einsicht verholfen, wer unter den Stallknechten es nach meiner Rückkehr verdiente, ersetzt zu werden. »Das macht dich vielleicht zu einem talentierten Lügner, mein Junge«, sagte ich, »aber es gibt mir noch lange keinen Grund, meine Meinung zu ändern. Ich bin in Geschäften für Lord Robert unterwegs. Wichtigen Geschäften. Da kann ich keine Ablenkung gebrauchen.«
Er umfasste die Zügel seines Pferdes noch fester.
»Aber vielleicht braucht Ihr ja jemanden, der für Euch alle anderen ablenkt und die Augen offen hält, während Ihr in Cumnor Euren Geschäften nachgeht.«
»Ich bin nach Oxford unterwegs«, sagte ich langsam und nachdrücklich.
»Nein, nach Cumnor, wo Lord Roberts Gemahlin lebt«, antwortete er so freundlich, dass es mir unmöglich war, ihm vorzuwerfen, er würde mich einer Lüge bezichtigen. »Ich kann zwei und zwei zusammenzählen, Sir. Das abgekämpfteste Pferd im Stall war von einem gewissen Bowes aus Anthony Forsters Haushalt in Cumnor geritten worden. Seht Ihr, wie gut ich darin bin, Augen und Ohren offen zu halten?«
»Und eine lose Zunge zu haben«, vollendete ich. Das hieß bedauerlicherweise, dass ich ihn wirklich nicht nach Windsor zurückschicken konnte. Wahrscheinlich wusste spätestens morgen ohnehin jeder, dass Amy Dudley tot war, aber wenn er es jetzt schon herausgefunden hatte, dann war er entweder wirklich so talentiert, wie er vorgab, oder doch jemandes Spitzel mit einer Quelle in Robins Haushalt. Im einen wie im anderen Fall, das musste ich zugeben, lohnte es sich, ihn in der Nähe zu behalten. Als John Dudley noch an seinem Aufstieg in den Kronrat arbeitete, sagte er mir einmal, man müsse seine Freunde nahe und seine Feinde noch näher halten. Im Fall William Cecils hat ihm das zwar nichts genützt, aber gemerkt hatte ich mir den Ratschlag trotzdem. Jemand, der einem die Ohren vollredet, kann einen zumindest nicht gleichzeitig in den Rücken stechen.
»Meine Zunge, genau wie ich selbst, wartet nur darauf, in Lord Roberts Dienste zu treten. Ihr kennt ja das Sprichwort: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Und meine Lieder locken die Vögel von den Bäumen, Master Blount, das werde ich Euch beweisen, ich schwöre es. Gebt mir nur die Möglichkeit dazu.«
»Deine Ohren sind gefragt, nicht deine Stimme, das solltest du nicht verwechseln. Aber sei’s drum«, sagte ich. »Ich gebe dir eine Woche, um dich nützlich zu machen, mein Sohn. Wenn du hältst, was du versprichst, dann sehen wir weiter. Wenn nicht, nun … die Franzosen haben ein paar üble Kniffe, wenn sie Leute verprügeln, sonst hätten sie uns Calais niemals weggeschnappt, und ich habe sie alle gelernt.«
Es wurde bereits dunkel, als wir Abingdon erreichten. Kein vernünftiger Mensch auf Gottes Erdboden reitet im Dunkeln, wenn er es vermeiden kann; so mancher hat sich oder seinem Gaul dabei den Hals gebrochen. Im Übrigen wollte ich frisch und ausgeruht sein, wenn ich mit Forster und seinem ganzen Haushalt sprach, nicht von Gliederschmerzen und einem leeren Magen gequält.
Meine Margery, wäre sie bei mir, hätte mir auf den Kopf zu gesagt, dass ich es auch nicht eilig hatte, die Leiche von Amy Dudley zu sehen, und ganz unrecht hätte sie da nicht gehabt.
»Frobisher, wir kehren im nächsten Wirtshaus ein«, sagte ich zu meinem neuen Anhängsel. »Kümmere dich darum, dass die Pferde ordentlich versorgt werden. Wir werden sehen, wie gut du darin bist, die Ohren offen zu halten, denn ich will wissen, was man sich alles erzählt.«
Viel erkennen konnte man von seinen Gesichtszügen in der Dämmerung nicht, aber nach der Art und Weise zu schließen, wie er sich an seinen Sattel klammerte, musste er mehr als erleichtert sein, dass es mit der Reiterei vorbei war.
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