Im Schatten der Königin: Roman
betrachtet, weiß ich natürlich, was John meinte, als er sagte, »nun wird es Guildford sein müssen«, aber damals erläuterte er seine Absichten nicht. Er bat mich nur, nach Norfolk zu reiten, um mit dem alten Robsart die Mitgift auszuhandeln. Zuerst machte ich aber meiner Base Jane die Aufwartung und fand heraus, dass sie im Gegensatz zu ihrem Gatten von der Aussicht auf Amy Robsart als Schwiegertochter entzückt war. Nicht, wie sich herausstellte, weil sie das Mädchen kannte – was sie nicht tat –, sondern weil Robin in sie verliebt war. »Natürlich weiß John am besten, was gut für die Familie ist«, sagte Jane, »aber wenigstens eines meiner Kinder soll aus Liebe heiraten.«
»Ehen, die aus Liebe geschlossen wurden, haben dem alten König viel Ärger bereitet und zwei Frauen den Kopf gekostet«, sagte ich und spielte den herzlosen rauhen Kerl vom Land, um Jane zu necken; Edith Odingsells pflegte zu sagen, dass ich mich dazu nicht zu verstellen brauchte. Jane schlug lachend mit ihrem Gebetbuch nach mir.
Ihr Sohn auf Freiersfüßen fand sich kurz nach mir bei ihr ein. Wie sich herausstellte, hatte er mich gesucht. Robin war damals siebzehn Jahre alt, wahrlich jung für eine Ehe, aber kein Naivling mehr. Niemand, der von seinem Vater von klein auf in die Umgebung der königlichen Kinder gedrängt worden war und Aufstieg und Fall mehrerer Königinnen mit erlebt hatte, konnte sich Unschuld und Naivität bewahren. Aber er war noch grenzenlos optimistisch und davon überzeugt, dass ihm und den Seinen das Schicksal immer gewogen bleiben würde. Robin war noch weit von dem Mann entfernt, der einen seiner Brüder geköpft und einen anderen von einer Kanonenkugel zerrissen sehen würde.
»Ich weiß, dass Vater es nicht ungern sähe, wenn die Verhandlungen scheitern«, sagte er zu mir. »Aber Vetter Blount, Amy ist die Dame meines Herzens. Vergiss das nicht. Ich will es dir eines Tages lohnen.«
»Robin, du Schafskopf«, wies ich ihn zurecht, denn damals sprach ich zu ihm noch wie zu einem jüngeren Bruder, »wenn dein Vater dir die Ehe verbieten wollte, dann hätte er das getan. Er würde nicht seine und meine Zeit verschwenden und mich nach Norfolk schicken.« Dann kam mir ein Gedanke, und ich räusperte mich. »Ich will doch hoffen, dass es keinen … nun … dringenden Grund für eine baldige Hochzeit gibt?«
»Ich weiß, was sich gehört, Vetter«, sagte Robin beleidigt, aber dann grinste er. Er sah von klein auf aus wie ein halber Zigeuner, mit seinem dunklen Haar und der olivfarbenen Haut; deswegen wirkte sein Grinsen immer doppelt hell. »Aber ich kann nicht schwören, dass es auch in Zukunft keinen Grund geben wird, wenn sich die Verhandlungen zu lange hinziehen, also denk an Amys und mein Seelenheil und mach es kurz!«
»Da ist es wohl besser, wenn du hierbleibst«, sagte ich und hatte Mühe, nicht ebenfalls zu grinsen, obwohl ich seine Worte missbilligen sollte. Aber Robin hatte eben ein Talent dafür, einen zum Lachen zu bringen.
»Oh, das werde ich«, sagte er. »Ich habe volles Vertrauen zu dir, Vetter. Außerdem kann ich jetzt den Hof ohnehin nicht verlassen.«
Mir war nicht bewusst, dass in den nächsten Wochen irgendwelche wichtigen Ämter vergeben oder Dudleysche Familienangelegenheiten außer Robins Heirat geregelt werden würden, also schaute ich einigermaßen überrascht drein.
»Der König hat die Prinzessin Elizabeth zu sich gerufen«, sagte Robin und klang plötzlich unerwartet ernst. »Zum ersten Mal, seit Thomas Seymour hingerichtet wurde. Über die Hälfte der Leute, die bei ihrem Empfang dabei sein werden, wollten sie genauso tot sehen wie Seymour. Ich glaube, da kann sie einen Freund in der Nähe gebrauchen.« Seine Miene wurde wieder spitzbübisch. »Außerdem schulde ich ihr noch etwas, wegen all der Lateinaufgaben, die sie für mich geschrieben hat, als wir zusammen unterrichtet wurden.«
Die Kapelle war ein Überbleibsel des alten Klosters. Forster hatte die Heiligenbilder behalten, was mich nicht weiter wunderte. Unter König Henry war es genauso gefährlich gewesen, als rigoroser Protestant zu erscheinen, wie den Papst immer noch als Oberhaupt der Kirche anzuerkennen: Henry hatte Protestanten verabscheut, als er noch Streitschriften wider Luther schrieb und ein treuer Sohn Roms war; später hatte er sie gebraucht, als Gott ihm offenbarte, dass er, nicht der Papst, das Oberhaupt der englischen Kirche sein sollte, doch er hatte sich nie wirklich mit den Lutheranern und
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