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Im Schatten der Königin: Roman

Im Schatten der Königin: Roman

Titel: Im Schatten der Königin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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waren verschwunden; die makellos glatte Haut über ihrer Wange schien mir mehr als alles andere zu zeigen, dass Amy tot war und sich nie wieder Leben in ihre Miene malen würde, die doch sonst immer jede ihrer Gefühlsregungen verraten hatte. Ihre Nase, die immer nach oben strebte, eine kleine Stupsnase, die ihr von den Dudleys den Spitznamen »Kätzchen« eingebracht hatte, war das Einzige, was nicht in das friedliche Bild passte, das gleich so als Marmorfries über ihrem Sarg hätte angebracht werden können. Statuen hatten niemals solche Nasen.
    Es hatte seine Gründe, warum ich dem Anblick ihrer Leiche bis jetzt ausgewichen war. Ich durfte mich nicht in Erinnerungen und Reuegefühlen verlieren, die mich lähmen würden, wenn ich sie zuließe; nicht hier und nicht jetzt. Ich räusperte mich, und die junge Frau, die neben mir in der Kapelle stand und mich sofort erkannt haben musste, wandte sich mir zu.
    »Master Blount«, sagte Pirto. »Master Blount, wollt Ihr mit mir beten? My lady hat jeden Tag gebetet. Jeden Tag lag sie auf ihren Knien und bat Gott, sie aus der Verzweiflung zu befreien.«
    Ich schaute auf Amys stilles Gesicht mit dem Ausdruck eines unvollendeten Lebens vor mir, und die Kehle schnürte sich mir zu. Ob wir Engländer nun ordentliche Protestanten sind oder nicht, in einem waren wir uns stets mit den Katholiken einig, und das war der tiefste Kreis der Hölle, der auf Selbstmörder wartete. Wer durch eigene Hand starb, hatte nicht das Recht auf eine christliche Beerdigung, und alle Gebete der Welt würden Amy nicht mehr helfen.
    »Was willst du damit sagen?«, fragte ich leise. »Ich kann nicht glauben, dass sie sich verdammen wollte.«
    Pirto, die erst nach dem Tod des alten Robsart Amys Zofe geworden war, presste ihre Hände ineinander. »Nein, Master Blount«, entgegnete sie. »Dergleichen will ich gewiss nicht sagen, niemals, und das sollt Ihr nicht aus meinen Worten machen, sonst täte es mir leid, dass ich etwas gesagt habe.«
    Leider beruhigte mich das nicht im Geringsten. Pirto war nicht so scharfzüngig wie Edith Odingsells oder Agnes Cross und gewiss nicht das aufgeweckteste Menschenkind; trotzdem, sie musste wissen, was es bedeutete, wenn sie mir Grund gab, zu glauben, dass Amy Hand an sich gelegt hatte. Sie konnte nicht wollen, dass ihre Herrin am Wegesrand mit den Gesetzeslosen beerdigt wurde.
    »Wie kam sie dann zu Tode? War es ein Unfall oder … oder etwas anderes? Was glaubst du?«
    »Gewiss war es ein Unfall«, sagte Pirto sanft. »Kein Mensch hat Hand an sie gelegt, weder ein Fremder noch sie selbst. Wollt Ihr nun mit mir für sie beten, Master Blount?«
    »Ja«, sagte ich schweren Herzens.
    Pirto stolperte durch das Vaterunser in englischer Sprache, und ich sprach es mit ihr. Amy selbst hätte wohl auch ein Ave-Maria gebetet und die Dudleys mit dem katholischen Brauch verärgert. »Bis auf Robin«, sagte sie einmal zu mir. »Bis auf Robin. Es kümmerte ihn nicht, und das kümmert mich. Wenn er mich noch liebte, dann machten ihm meine Gebete an die Gottesmutter Kummer.«
    Die Worte kratzten mich im Hals, und ich versuchte, an nichts anderes als Amys Seelenheil zu denken, nicht an die Folgen, die ihr Tod für uns alle noch haben mochte, und nicht an das, was hätte sein können. Wenn ich sie weiter anblickte, war das unmöglich, also wandte ich mich von ihr ab und kniete mich für die letzten vier Zeilen des Vaterunsers vor die Statue des heiligen Georg in der Ecke, was es mir erlaubte, Amys Leiche den Rücken zuzuwenden.
    Das Schweigen, das zwischen Pirto und mich fiel, als unsere Worte verklungen waren, machte es nicht einfacher. Nichts ist so widerspenstig, wenn es darum geht, falsche Gedanken abzuwehren, wie das Schweigen in der Nähe des Todes.
    »Ich habe gehört, du hast den Schlüssel zu my ladys Truhen«, sagte ich nach einer Weile und drehte mich wieder zu ihr um. Angestrengt blickte ich über ihren Kopf hinweg, was es mir ermöglichte, die aufgebahrte Frau zu übersehen. »Wohlgetan, aber nun brauche ich ihn.«
    »Es sind nur ein paar Briefe von ihrem Schneider in London darin, und ihr Schmuck«, sagte Pirto. »Aber … nicht jeder ist ehrlich in diesem Haus. Ich wollte nicht, dass jemand etwas von my ladys Schmuck stiehlt. Könnt Ihr das my lord sagen, Master Blount? Dass ich auf solche Dinge geachtet habe? Dann empfiehlt er mich vielleicht einer seiner Schwestern, Lady Sidney oder Lady Huntington. Hier in Cumnor bedarf es keiner weiteren Zofe, und zur Milchmagd

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