Im Schatten der Königin: Roman
tauge ich nicht.«
Ich war mir nicht sicher, ob ich gerade eine Bitte oder eine Forderung gehört hatte. Robins Schwestern Mall und Kate waren beide Hofdamen der Königin, und von einem Haushalt in der Provinz zum Hof überzuwechseln hieß wahrlich, sein Glück zu machen … es sei denn, eine ganze Familie fiele in Ungnade und verlöre so ihre gerade wieder errungenen weltlichen Güter. Aber Pirto war mir nie so vorausschauend erschienen. Eher wollte ich glauben, dass sie einfach nur um ihre Zukunft besorgt war, und das konnte ich verstehen. Amy hatte nur noch einen Halbbruder mütterlicherseits, John Appleyard, und der würde ihre Bediensteten gewiss nicht übernehmen. Damit blieben ihr nur die Dudleys.
»Kannst du lesen, Pirto?«
»Nein, Master Blount«, sagte sie mit geschlossenen Augen, während ihre Finger immer noch wie im Gebet ineinandergefaltet waren. »Ich mache immer ein Kreuz, wenn ich irgendwo meinen Namen setzen muss.«
»Woher weißt du dann, dass in my ladys Truhe nur Schneiderrechnungen sind?«
»Weil sie es mir gesagt hat«, entgegnete Pirto ruhig. »Noch vor vier Wochen hat sie sich eine neue Haube und rosafarbenen Taft für ein Kleid bestellt.«
Das klang nicht nach einer Frau, die sich dem Elend ergeben hatte und ihrem Leben ein Ende setzen wollte, und soweit es Amys Seelenheil betraf, war es das Hoffnungsvollste, was ich heute gehört hatte; über die anderen Möglichkeiten verriet es mir nichts.
»Wir werden sehen, ob sich nicht doch noch etwas anderes dort findet«, sagte ich und kam dann auf etwas zu sprechen, das mir im Magen lag, seit ich davon gehört hatte. »Pirto, stimmt es, dass my ladys Haar ordentlich zurechtgemacht war, als man sie gefunden hat?«
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass jemandem, der durch einen Sturz von der Treppe zu Tode gekommen war, nicht auch Haar und Haube verrutscht wären.
»Das war es, aber …« Pirto schlug die Augen nieder. »Sir, ich war so entsetzt, als ich sie gefunden habe, auf dem Boden und tot, da kann es schon sein, dass ich selbst ihr das Haar zurechtgemacht habe, damit man sie nicht anders als würdevoll sieht.«
»Was meinst du damit, dass es sein kann?«, fragte ich mit schlecht verhohlener Ungeduld, denn das war nun wirklich ein wichtiger Punkt. »War es so, oder war es nicht so?«
»Es tut so weh, mich daran zu erinnern«, flüsterte sie. »Aber seid unbesorgt, bis die Leute kommen, die den Unfall untersuchen, wird es mir schon wieder ganz genau einfallen.«
Ich entschied mich, das nicht als Drohung, sondern als gut gemeintes Versprechen aufzufassen. Wenn ich sie jetzt noch weiter bedrängte, sich für eine der beiden Möglichkeiten zu entscheiden, dann wählte sie vielleicht aus schierer Furcht eine, ob diese nun der Wahrheit entsprach oder nicht. Es war wohl besser, zunächst andere Fragen zu klären, sonst bekam ich am Ende überhaupt nichts weiter aus ihr heraus. Überdies kannte ich Pirto, im Gegensatz zu den übrigen Bediensteten hier; sie hatte in diesem Frühjahr unter meinem Dach in Kidderminster gelebt, als Amy dort zu Gast war, und musste wissen, dass sie mir vertrauen konnte. Mit ein wenig Geduld würde sie sich mir gewiss öffnen.
»Warst du ebenfalls auf dem Jahrmarkt am Sonntag?«
»Ja, Master Blount. My lady hat darauf bestanden.«
»Wenn du sagst, dass nicht alle in diesem Haus ehrlich sind«, fuhr ich fort, »denkst du da an jemand Bestimmten?« Ich erinnerte mich daran, wie Hal Latimer davon gesprochen hatte, dass Agnes Cross versucht habe, sich bei Amy lieb Kind zu machen und sich als zweite Zofe anzudienen, und erwartete, ihren Namen zu hören.
»Ich will niemand etwas Böses nachsagen«, entgegnete Pirto sofort. »Es ist hart, keine Stellung zu haben, Master Blount.«
»Ich werde es für mich behalten.«
Sie benetzte ihre Lippen. »Ich will aber wirklich keine böse Rede führen. Es ist nur … ein paar Dinge sind verschwunden. Nichts von my ladys Sachen«, setzte sie hastig hinzu, »aber doch das eine oder andere aus dem Haushalt. Mrs.Odingsells hat sich darüber bei Master Forster beschwert, und wir haben es alle gehört.«
»Hm. Auch, was er dazu gesagt hat?«
»Er hat ihr gesagt, er kümmere sich darum, und wir haben nichts mehr darüber erfahren.«
»Und es gibt niemanden, den du im Verdacht hast?« Sollte sie Agnes Cross im Verdacht haben, würde sie es mir nun sicher sagen; Pirto musste schon eine Heilige sein, um die Frau zu schützen, die es auf ihre eigene Stellung abgesehen
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