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Im Schatten der Königin: Roman

Im Schatten der Königin: Roman

Titel: Im Schatten der Königin: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Cambridge?«
    »Warum fragt Ihr das?«, entgegnete der Bürgermeister überrascht.
    »Nun, es wundert mich, dass ein Sohn Abingdons nicht in Oxford studierte, wenn es ihn zum Studium trieb.«
    »Hmmm …« Der Bürgermeister musterte mich mit einem undeutbaren Gesichtsausdruck. »Wie es sich trifft, stammt Master Irsby nicht aus Abingdon; er besucht jedoch derzeit einen Freund hier und bot sich als Experte der Medizin an, als er von Lady Dudleys Tod hörte.«
    »Was für ein glücklicher Zufall«, sagte ich trocken. »Wer ist denn sein Freund?«
    »Master Sellers, der unserer Wollgilde hier vorsteht und einer der angesehensten Bürger Abingdons ist«, gab der Bürgermeister zurück. »Er bürgt für seinen Freund. Wie Ihr das für Master Forster tut, nicht wahr?«
    Damit hatte er mich vorerst um den Einwand gebracht, der mir natürlich auf der Zunge lag und den ich nun nicht aussprechen konnte. Ich gestand den Treffer mit einem Nicken zu. Der Bürgermeister strich sich zufrieden über seinen Bart.
    »Nur Gott allein schaut in die Herzen der Menschen«, sagte er. »Wir Sterblichen müssen uns mit Ahnungen begnügen. Wenn Ihr Euch aber Eures Urteils so sicher seid, Master Blount, dass Ihr an Forsters Unschuld glaubt und mir von Knechten sprecht, die Ihr für Einfaltspinsel, aber nicht für Mörder haltet, dann verratet mir doch dies: Wie lange kennt Ihr my lord Dudley?«
    Ich hatte das ungute Gefühl, zu wissen, worauf das hinauslief.
    »Eigentlich sein ganzes Leben lang«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Er ist der Sohn meiner Base Jane. Es erging mir als junger Mann sehr elend, also bat ich meine Base um Hilfe und trat später in den Dienst ihres Gatten.«
    »Und my lady?«
    »Seit ihrer Hochzeit.«
    »Nun, die liegt wohl mittlerweile auch schon ein paar Jahre zurück, habe ich recht, Master Blount? Man kann also behaupten, dass Ihr beide wahrlich gut kennt, besser als Forster, und ganz gewiss besser als sein Gesinde oder sonst jemanden in Abingdon.«
    Bis auf Edith Odingsells, dachte ich, die kannte ich noch länger, aber das ging ihn nichts an, und im Übrigen waren das keine erfreulichen Kindheitserinnerungen.
    »Master Blount?«
    Ich nickte.
    »Dann beantwortet mir doch zwei Fragen.« Der Bürgermeister setzte ein feines Lächeln auf, das nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass er wusste, wie er sein Schwert zu führen hatte. »Haltet Ihr my lord Dudley für fähig, einen Menschen zu töten?« Bevor ich darauf etwas entgegnen konnte, hob er – scheinbar beschwichtigend – seine Hand. »Ich frage Euch natürlich nicht, ob Ihr ihn für fähig haltet, sein Weib getötet zu haben. Tätet Ihr das, so würdet Ihr es als sein Mann sicher nicht zugeben. Aber Ihr habt gerade zwei Männer für unschuldig erklärt, die Ihr längst nicht so gut kennt, also will ich wissen, ob es überhaupt Umstände gibt, in denen Eurer Meinung nach Euer Vetter zu morden fähig ist.«
    »Wir waren in Frankreich, er und ich«, sagte ich langsam und bedacht, »und nicht, um die Landschaft zu bewundern. Wenn das eigene Leben bedroht ist, my lord Mayor, oder wenn man die Seinen verteidigt, dann ist fast jeder Mann fähig zu töten. Aber wenn Ihr mich nach my lord fragt, dann solltet Ihr besser fragen, ob ich ihn für fähig halte, einen Mord zu begehen, auf den die meisten Menschen im Land seit fast zwei Jahren warten, und dann lautet die Antwort eindeutig nein. My lord Dudley mag vieles sein, aber dumm ist er nicht.«
    Der Bürgermeister brummte, ein Laut, der Zustimmung oder Verneinung sein konnte; was von beiden, ließ sich aus seiner Miene nicht ablesen.
    »Da Ihr eine so offene Sprache führt, Master Blount, will ich meine zweite Frage stellen. Habt Ihr die beklagenswerte Verstorbene für fähig gehalten, einen Menschen zu töten?«
    »Sie war eine Lady. Sie hat mit Sicherheit noch nicht einmal einer Gans je den Hals umgedreht, um sie auszunehmen, und sie war eine gute Christin, eine gottesfürchtige Frau«, sagte ich, ohne zu zögern, weil ich mit dieser Frage gerechnet hatte. Worauf sie in Wirklichkeit hinauslief, war eindeutig. Aber ich würde auf gar keinen Fall einräumen, Amy sei fähig gewesen, Hand an sich zu legen.
    »Nach Gänsen habe ich nicht gefragt«, entgegnete der Bürgermeister und seufzte. »Doch Ihr scheint wahrlich ein loyaler Mann zu sein, Master Blount. Nun gut, wir werden zweifellos noch öfter miteinander sprechen in unserem Bestreben, die Wahrheit herauszufinden. Für jetzt überlasse ich Euch Euren eigenen

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