Im Schatten der Königin: Roman
gottverfluchten Spanier, aber es gibt ein, zwei Dinge, die ich zu sagen habe. Gibt es in diesem Haus Branntwein?«
Wir gingen in die Küche, nicht nur des Branntweins, sondern auch der wärmenden Feuerstelle wegen. Ich hatte übertrieben, als ich davon sprach, zu alt für feuchte Kleider zu sein, aber das hieß nicht, dass ich mich nicht allmählich wirklich nach Wärme und Trockenheit sehnte. Der weißbärtige Koch, der die Latimers hierhin und dahin scheuchte, wirkte nicht glücklich über die Aussicht, den Branntwein seines Herrn anzutasten, aber angesichts von Appleyards Status als Amys Bruder blieb ihm nichts anderes übrig.
»Wisst Ihr, warum mein Stiefvater in diese Ehe eingewilligt hat?«, fragte Appleyard und goss sich in den Holzbecher ein, den ihm Claire Latimer entgegenhielt. »Gewiss, John Dudley war damals Herzog und ein großer Mann im Reich, aber Robin war nicht der älteste Sohn oder auch nur der zweitälteste, und mein Stiefvater, Gott hab ihn selig, der hätte es lieber gesehen, wenn Amy einen Erben geheiratet hätte, genauso wie sie eine Erbin war. Und einen richtigen Mann, einen mit Erfahrung, nicht einen jungen Spund in ihrem Alter. Aber Amy, die hatte sich Euren Vetter mit seinem Zigeunergesicht in den Kopf gesetzt. Sie bettelte, sie weinte, tagaus, tagein, und Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie das war, ein so hübsches Mädchen weinen zu sehen. Zum Schluss, da war sie sogar bereit, meinem Stiefvater zu schwören, sie erwarte ein Kind. Das war natürlich eine faustdicke Lüge, aber das wussten wir damals nicht. Später habe ich sie dann gefragt, ob sie sich nicht schämte. Nein, sagte sie, denn ihren Robin, den hätte sie haben müssen, koste es, was es wolle.«
Er warf mir einen feindseligen Blick zu und nahm noch einen Schluck, ehe er mir die Flasche überließ. »Letztes Jahr aber, da schreibt sie mir, dass ich einen Gelehrten oder Bischof fragen müsse, ob heutzutage wirklich eine Ehe ohne Kinder für nichtig erklärt werden kann, wenn einer der Eheleute das vor ein paar Pfarrern und Friedensrichtern wünscht. Heute, wo wir keinem Papst mehr gehorchen müssen und niemand mehr weiß, wer für so etwas zuständig ist – was glaubt Ihr wohl, was ich da gedacht habe?«
Die Schärfe des Branntweins nahm mir einen Moment den Atem. »My lord hat keine Scheidung beantragt. Das wüsste ich.«
»Nein, hat er nicht, aber weswegen wohl? Weil er genau wusste, dass Amy sich mit Zähnen und Klauen gewehrt hätte. Und Amy, die konnte kämpfen. Sah immer aus wie ein lieber kleiner Engel, unsere Amy, aber das kann ich Euch sagen, Blount, einmal habe ich ihr, als wir Kinder waren, einen Kreisel weggenommen, weil ich ihn selbst haben wollte. Da zerbrach sie ihn lieber, als ihn mir zu überlassen. Sie hätte mich dazu gebracht, in ihrem Namen Eingabe um Eingabe bei jedem Bischof im Land zu machen. Niemals hätte sie Robin Dudley gehen lassen. Niemals. Sie war die hingebungsvollste Gattin, die ein Mann sich wünschen konnte, und der Dreckskerl hat es ihr damit gedankt, irgendjemanden damit zu beauftragen, sie umzubringen. Das weiß ich genau. Und Forster, der steht bei mir ganz oben auf der Liste!«
Ich hätte ihm sagen können, dass Amy zumindest in einem Punkt nicht die vollkommene Gattin war, für die er sie hielt, aber das war meine eigene Schuld genauso wie die ihre gewesen, und niemand durfte je davon erfahren. Außerdem wusste ich, dass alles, was vorgefallen war, im Grunde doch auf ihren Zorn zurückging, den sie auf Robin empfand. Auf Robin und die Königin.
»Master Appleyard«, sagte ich, »Eure brüderliche Treue und my ladys Entschlusskraft in allen Ehren, aber my lord hat das Ohr der Königin, und sie ist seit ihrer Krönung das Oberhaupt der Kirche in diesem Land. Damit ein Herrscher dies ist, hat ihr Vater Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt. Wenn Robin seine Ehe wirklich auflösen hätte wollen, auf wen, meint Ihr, hätte ein Bischof da gehört, auf my lady oder auf die Herrin des Landes?«
»Gebt mir die Flasche wieder«, knurrte er.
Eine Weile schwiegen wir. Es war mein Glück, dass Appleyard zwar geneigt war, Beschuldigungen in alle Richtungen auszustoßen, aber sich nicht wirklich in höfischen Dingen auskannte. Es hatte lange gedauert, bis überhaupt einer der von Königin Mary eingesetzten Bischöfe bereit war, Elizabeth zu krönen. Sie hatte erst den Titel »Oberhaupt der englischen Kirche«, den sie von ihrem Vater geerbt hatte, zu »Oberste Verwalterin der englischen
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