Im Schatten der Leidenschaft
undenkbar, mit Kissen nach Leuten zu werfen ... Wie soll das weitergehen?«
»Oh, bitte verzeihen Sie, Madam.« Chloe sprang zu ihr hin und küßte sie mit der echten Zuneigung auf die Wange, die selbst ihre härtesten Kritiker immer wieder entwaffnete. »Hugo hat mir Vorwürfe gemacht, weil ich nicht Klavier übe.«
»Nun, das ist doch wohl wirklich kein Grund, mit Kissen zu werfen«, sagte die Lady und schüttelte den Kopf. »Für beide nicht!«
»Du hast völlig recht, Dolly.« Hugo erhob sich von der Klavierbank. »Ich werde dir ein Glas Ratafia einschenken. Den wirst du bestimmt brauchen, wenn du mit Chloe beim Einkaufen warst. Mädel, du kannst einen Sherry haben, wenn du möchtest.«
Er füllte zwei Gläser und setzte sich wieder. »Also, dann laßt mich die Früchte eurer Expedition mal sehen.«
Lady Smallwood holte tief Atem. Ihm sank das Herz. »Madam?«
»Ich muß sagen, Hugo, daß ich absolut nichts billige ... nicht eines von den Dingen, die Chloe gekauft hat. Es war mir nicht möglich, irgendeinen Einfluß auf sie auszuüben.« Sie trank ein Schlückchen Ratafia und tupfte sich die Lippen mit ihrem Taschentuch ab.
»Ach was«, sagte Chloe mit ihrem üblichen beklagenswerten Mangel an Zurückhaltung. »Ich habe eine wundervolle kurze Jacke gekauft und ein Netztäschchen und ein Sträußchen Seidenblumen. Oh, und eine Haube und ein Abendkleid - du würdest nicht glauben, wie elegant es ist, Hugo.«
»Ganz bestimmt nicht«, murmelte er finster, aber Chloe sprach weiter.
»Unglücklicherweise mußte es geändert werden, also konnte ich es noch nicht mitbringen, aber die Modistin hat versprochen, daß ich es bis morgen nachmittag bekomme, so daß ich es auf der Soiree der Bellamys tragen kann.«
Ein schwaches Ächzen kam von Lady Smallwood, und Hugo vermutete mit zunehmend unguten Vorahnungen, daß es noch schlimmer war, als er sich vorgestellt hatte. Er machte sich zum Kampf bereit.
»Zeig mir, was in den Schachteln ist.«
»Das hier ist die Haube.« Chloe hob den Deckel einer Hutschachtel und hob ein riesiges Ding aus gerüschter und gepolsterter Seide in Schwarz und Scharlachrot heraus. Sie setzte es sich auf den Kopf und band strahlend das Band unter ihrem Kinn zu. »Ist die nicht prächtig? Und die Jacke paßt genau dazu.« Die Jacke war aus schwarzgestreiftem Satin mit scharlachroten Besätzen an den Ärmeln.
Hugo starrte die schwarzrote Erscheinung vor sich an. An dem Hut oder der Jacke war zwar nichts Ordinäres-vermutlich nur deshalb, weil es in den Läden, die Lady Smallwood vorzog, nichts Ordinäres gab - aber sie erdrückten vollständig Chloes wunderbar frische Schönheit.
»Schwarz ist keine Farbe für eine Debütantin«, sagte er schließlich.
»Ach was«, sagte Chloe wieder. »Das ist schick. Mir gefallen die ganz faden Jungmädchenfarben nicht. Das hier ist das Sträußchen. Ich dachte, daß sie gut zu der Jacke passen würden.« Sie hielt ein aufwendiges Bukett vergoldeter Orchideen an ihren Busen. Es verdeckte vollständig die weiche, vollendete Rundung ihrer Brüste.
Hugo sagte vorsichtig: »Beschreibe doch bitte das Abendkleid, Dolly.«
»Oh, es ist wunderschön -«
»Ich habe nicht dich gefragt, Chloe«, unterbrach er sie sofort. »Ich bin davon überzeugt, daß du es wunderschön findest. Also, Madam ... ? So genau, wie du kannst.«
Lady Smallwood schauderte. »Es ist lila-türkis gestreift und mit Jetperlen bestickt... und ich glaube, am Saum hat es einen geflochtenen Fransenrand, der sich passend am Ausschnitt wiederholt ... und statt Ärmeln über die Schultern fällt. Ich kann mir vorstellen, daß das an manchen Frauen hinreißend aussehen würde, aber nicht an Chloe, und für eine Debütantin ist es völlig unpassend.«
»Es ist umwerfend«, sagte Chloe. »Ich möchte gern umwerfend aussehen.«
»Nicht solange ich dein Vormund bin«, stellte Hugo knapp fest und stand auf. »Wir werden jetzt die Jacke und die Haube und den Strauß zurückgeben, und bei der Modistin werden wir das Abendkleid abbestellen. Du kannst dir in meinem Beisein etwas Passenderes aussuchen, da du ja den Rat deiner Anstandsdame nicht annehmen möchtest.«
»Nein!« rief sein Mündel mit mehr als dem üblichen Nachdruck aus. »Ich bringe die Sachen nicht zurück. Warum solltest du mehr davon verstehen als ich, Hugo?«
»Das wüßte ich auch gern«, sagte er und seufzte. Er wandte sich an seine Kusine. »Madam, wenn ich du wäre, würde ich mich zurückziehen. Ich habe das Gefühl, als
Weitere Kostenlose Bücher