Im Schatten der Leidenschaft
paar der teilnehmenden Gruppen im voraus etwas Disziplin lehren.«
»Diese Art von Bürgerwehr wird vermutlich eher die Polizei auf den Plan rufen«, meinte Hugo finster und nahm einen Flachmann aus der Tasche. »Es sieht nämlich so aus, als würden die
Männer auf bewaffneten Widerstand gedrillt.« Er nahm einen Schluck Brandy von seiner eisernen Ration.
Die klaren, grauen Augen des Mannes blickten schärfer. »Es bleibt zu hoffen, daß es dort keinen Grund zum Widerstand geben wird, Sir. Wenn die Polizei vernünftig ist, wird die Veranstaltung friedlich wie eine Weihnachtsmesse verlaufen.«
»Ich habe wenig Vertrauen in den gesunden Menschenverstand der Polizei im Zusammenhang mit ihrer Angst vor einer gewalttätigen Menge«, sagte Hugo und steckte seinen Flachmann wieder ein. »Komm, Chloe.« Er nahm ihren Arm und führte sie von der Menge weg.
»Wer ist Redner Hunt?«
»Henry Hunt - ein scharfzüngiger Radikaler«, erklärte ihr Hugo. »Er ist von Beruf politischer Agitator und bringt nach Meinung der Behörden mit jeder Rede, die er bei einer Versammlung hält, das Land der Revolution und der Guillotine einen Schritt näher.«
»Ach so.« Chloe runzelte die Stirn. »Vielleicht sollten sie dann vorsichtig sein und etwas in der Sache unternehmen.«
Hugo lachte. »Tja, Kind, mir scheint, daß das ein utopischer Standpunkt ist.«
Sein Lachen war nicht unhöflich, und Chloe war ihm nicht böse. Statt dessen lächelte sie ihm zu und hakte sich bei ihm ein.
Hugo sah hinab in ihr Gesicht und hatte das Gefühl, als träfe ein Schlag seinen Solarplexus. Das war absurd. Wie war es möglich, daß sie eine solche Wirkung auf ihn hatte? Sie war nicht mehr als ein hübsches Kind, das dabei war, eine Frau zu werden. Und könnte es nicht wunderbar sein, ihr dabei zu helfen ? Mein Gott, er war auf dem besten Wege, verrückt zu werden!
»Verkauft der Junge da drüben nicht Pastetchen?«
Die prosaische Frage holte ihn in die Wirklichkeit zurück. Dankbar wandte er seinen Blick von ihr ab und sah sich um.
Ein Junge, der einen Karren vor sich herschob, pries in unverständlichem Singsang seine Waren an. Doch die Düfte sprachen klar genug für sich und seine Pasteten, die über einem Kohlebecken warmgehalten wurden.
Hugo kaufte eine dampfende Fleischpastete und sah dann, ohne noch einen Gedanken an Verführung zu hegen, Chloe amüsiert zu, die mit Heißhunger hineinbiß. »Gut?«
»Köstlich. Ich war schon ganz schwach vor Hunger.«
»Vielleicht könntest du sie aufessen, während wir weitergehen ?«
Chloe nickte nur mit vollem Mund.
Mr. Childe von der Childe’s Bank begrüßte Hugo mit einer tiefen Verbeugung und deutete auf sein inneres Heiligtum. »Wenn Miss Gresham im Vorzimmer warten möchte, lasse ich den Sekretär eine Tasse Tee für Sie holen«, sagte er mit einem matten Lächeln zu dem jungen Mädchen in dem scheußlichen Schulkleid.
»Onein«, sagte Chloe. »Ich möchte gerne wissen, was mit meinem Vermögen ist. Und ich brauche keinen Tee ... danke sehr«, fügte sie noch etwas verspätet hinzu.
Mr. Childe sah sie verblüfft an. »Aber Sie ... Sie können doch nicht wirklich Interesse an Prozentsätzen und Staatsanleihen haben, meine Liebe. Junge Damen finden solche Dinge doch äußerst langweilig. Ich bin sicher, daß wir eine Zeitschrift finden, die Sie anschauen können, während Sie warten ...«Er nickte ermutigend. »Ich bin davon überzeugt, daß die neueste Mode viel fesselnder für Sie ist als unser Gespräch.«
»Nein, das glaube ich nicht«, erwiderte Chloe mit einem süßen Lächeln. »Ich bin nicht im geringsten an Mode interessiert, möchte aber sehr gern Genaueres über mein Vermögen erfahren. Sie müssen bedenken«, erklärte sie ihm freundlich, »daß ich die Absicht habe, es selbst zu verwalten, wenn ich heirate, also muß ich alles Denkbare darüber lernen.«
Mr. Childes Kinnlade fiel herunter. Er wandte sich mit flehendem Blick Sir Hugo zu, der aus dem Fenster schaute und scheinbar ungerührt war von der ketzerischen Bemerkung seines Mündels. »Wohl kaum, oder, Sir Hugo?«
»Das würde ja wohl von dem betreffenden Ehemann abhängen«, erwiderte Hugo. »Es erscheint mir etwas voreilig, darüber zu spekulieren, da niemand Passendes in Sicht ist. Doch wenn das Mädel mit dabeisein will, habe ich nichts dagegen. Wenn es ihr dabei langweilig wird, ist sie selbst schuld. Und wenn sie etwas lernt, ist das kein Schaden.« Mit einer Hand zwischen ihren Schulterblättern schob er sie vor
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