Im Schatten der Leidenschaft
sich sehr artig, bedankte sich bei Mr. Childe für die Inanspruchnahme seiner Zeit und entschuldigte sich dafür, ihm zur Last gefallen zu sein.
Es war schwer, ihrem Lächeln zu widerstehen, und Mr. Childe wurde etwas besänftigt. Er tätschelte ihre Hand und begleitete die beiden zur Tür. »Werden Sie Sir Jasper über die Änderung der Überweisung informieren, Sir Hugo?«
Hugo schüttelte den Kopf. Er hatte die Absicht, nur so wenig wie möglich mit Stephens Sohn zu tun zu haben. »Nein. Ich lasse es ihm von Anwalt Scranton mitteilen.«
Draußen angekommen, fragte Chloe ihn noch einmal: »Warum hat Mama ihm nur all das Geld gegeben? Sie hat ihn verabscheut.«
»Das ist doch unwichtig«, sagte ihr Begleiter knapp und machte sich auf den Weg, die schmale, kopfsteingepflasterte Straße hinab.
»Sind Sie verärgert?« Chloe sah besorgt zu ihm auf. »Ich weiß, ich hätte das über Jasper nicht sagen sollen und ich hätte auch nicht gegen Ihren Vorschlag zu meinen Bezügen protestieren sollen, aber das kam doch alles etwas überraschend.«
»Ich muß mich in Zukunft bemühen, dir solche Überraschungen fernzuhalten«, sagte er trocken. »Childe war empört, und das kann ich ihm kaum übelnehmen.«
»Ich habe doch nur meine Meinung gesagt.«
»Es gibt Meinungen, die man vor Fremden nicht äußern sollte, wie gerechtfertigt sie auch sein mögen.«
»Aha, also geben Sie mir doch recht«, sagte sie mit leisem Triumph in der Stimme.
Er unterdrückte ein Grinsen. »Darum geht es nicht. Trotzdem bekommst du keine dreitausend Pfund im Jahr, schlag dir das aus dem Kopf.«
»Aber in London werde ich so viel Geld brauchen, daß es sowohl für meine Pferde als auch für meine Garderobe reicht.«
Hugo blieb am nächsten Straßenrand stehen. »Ich habe dir gesagt, daß ich nichts mehr davon hören will«, stellte er fest. »Also gehen wir weiter zur Modistin oder nicht?«
Sie würde nichts dadurch gewinnen, wenn sie verhinderte, daß sie neue Kleider bekam. Also zuckte Chloe mit den Schultern und sagte mit einlenkendem Lächeln: »Ja, bitte.«
Hugo warf ihr einen mißtrauischen Blick zu, auf den sie mit einem derart unschuldigen Lächeln reagierte, daß er wußte, daß sein Mißtrauen gerechtfertigt war. Er schüttelte resigniert den Kopf und ging weiter.
Die Modisten und Schneider der Stadt hatten ihre Geschäfte alle in der gleichen Straße. Hugo war kein häufiger Kunde in solchen Geschäften, doch da er Manchester sein Leben lang kannte, waren ihm die Namen der angesehensten Modisten bekannt, und er hatte ein bestimmtes Geschäft im Auge.
Chloe jedoch war hingerissen von den Auslagen in all den Fenstern, an denen sie vorbeikamen. Sie lief von einer Straßenseite zur anderen und machte ihn auf Kleider und Hüte aufmerksam, die ihr gefielen.
Zu seinem Entsetzen stellte Hugo fest, daß sie nicht die leiseste Vorstellung davon hatte, was geschmackvoll oder für sie angemessen war. Während er ihrem begeisterten Kommentar zu einer violetten Robe, die mit saphirfarbenen Glasperlen bestickt war, zuhörte, wurde ihm klar, daß er seine Pläne für den Rest des Nachmittags ändern mußte.
Er hatte die Absicht gehabt, sie in der Obhut der Schneiderin zu lassen, während er in einem nahegelegenen Wirtshaus eine dringend nötige Erfrischung einnahm. Jetzt wurde ihm klar, daß er sich auf ihr Urteil nicht verlassen konnte, und da er wußte, wie entschieden sie sein konnte, war er ziemlich sicher, daß die Modistin sie wohl kaum ausreichend würde beraten können. Die Flasche Burgunder würde warten müssen.
Er stärkte sich noch einmal aus seinem Flachmann und betrat ein diskretes Geschäft, in dessen Schaufenster ein zartes, aus feingemustertem Baumwollmusselin gefertigtes Kleid lag. »Komm hier herein.«
»Das sieht ja sehr alltäglich aus.« Chloe rümpfte die Nase. »Das andere Geschäft hat mir viel besser gefallen.«
»Ja, das kann ich mir vorstellen. Trotzdem gehen wir hier hinein.« Mit einer Hand an ihrem Rücken drängte er sie durch die Tür.
Die Modistin eilte beim Klingeln der Türglocke aus dem Hinterzimmer herbei. Ihre scharfen, schwarzen Augen schienen das schreckliche, schlecht passende Kleid zu durchdringen, das Chloe trug, und ihre Schönheit darunter wahrzunehmen. Sie verbeugte sich vor dem Gentleman und fragte sich, wie wohlhabend er wohl wäre. Es war schwer zu sagen. Er war ordentlich gekleidet, in gutes Tuch, aber er trug keine offensichtlichen Anzeichen von Reichtum wie juwelenbesetzte
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