Im Schatten der Leidenschaft
auf euch hetze!«
»Oh, Jasper, findest du das gerecht?« Die zögernde Frage kam von einer in ein Tuch gehüllten Frau, die an einer Seite des Hofes stand.
»Zweifeln Sie an meiner Entscheidung, Madam?«
Der seltene Augenblick, in dem Louise Gresham Mut empfunden hatte, war zu Ende, als ihr Mann durch sie hindurch sah. »Nein ... nein, natürlich nicht, Sir. Das würde ich nie tun ... ich wollte nur-« Sie verstummte.
»Nur was, meine Liebe?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nichts ... gar nichts.«
»Du wirst dich hier draußen erkälten, meine Liebe. Du hast doch sicher im Haus irgend etwas zu tun.« Seine Stimme klang wie geölt, aber der Befehl war trotzdem eindeutig. Louise schlurfte aus dem Hof, die Augen abgewandt von den drei Männern, die sie zu unterstützen versucht hatte.
»Crispin, begleite sie hinaus.«
»Ja, Sir.« Als sein Stiefvater fortging, löste sich Crispin von der Wand, an der er gelehnt hatte. Er schlenderte in die Sattelkammer und kehrte mit einer schweren Peitsche zurück. Seine Augen glänzten vergnügt, als die drei verhinderten Entführer voller Schrecken zum Hoftor stolperten. Er folgte ihnen langsam und knallte mit der Peitsche, bis sie das Ende der langen Auffahrt erreicht hatten und hinter dem Außentor standen.
»Guten Tag, meine Herren«, sagte er mit einer spöttischen Verbeugung. Dann ging er zurück und schob mit dem Fuß abwesend Kies über das Blut, das die verletzten Männer so unachtsam vergossen hatten.
Seine Mutter tauchte aus dem Schatten auf, als er das Haus betrat. Sie streckte ihm eine Handvoll Münzen entgegen und sagte mit ängstlichem Flüstern: »Crispin, du mußt das hier den Männern geben. Neds Frau wird bald das nächste Kind bekommen, und wenn er nicht arbeiten kann, haben sie nichts zu essen ...«
»Sei nicht so weichlich, Mutter.« Crispin betrachtete das kleine Häufchen Münzen und fragte sich, wie lange seine Mutter wohl gebraucht hatte, so viel anzusparen angesichts der lächerlichen Beträge, die sie gelegentlich in äußersten Notfällen von ihrem Mann als Haushaltsgeld erbat. Er nahm ihre Hand und ließ die Münzen hineinfallen. »Wenn Sir Jasper herausfindet, daß du versuchst, dich einzumischen -«
»Crispin, das darfst du ihm nicht verraten!« Ihre Hände hoben sich zu ihren verblühten Wangen, und sie sah ihren Sohn erschrocken an.
Crispin schüttelte mit vorwurfsvoller Miene den Kopf und ging ins Frühstückszimmer, wo er seinen Stiefvater treffen wollte.
Louise sah ihm nach und versuchte sich daran zu erinnern, wie er als süßer kleiner Junge gewesen war ... damals, bevor er angefangen hatte, seine Mutter aus dem rauhen, abschätzenden Blickwinkel seines Stiefvaters zu sehen. Und nicht nur seine Mutter, dachte sie, und nicht nur die Frauen in der Krypta. Es schien, als wäre das ganze weibliche Geschlecht betroffen. Arme kleine Chloe. Sie war ein so kluges, lebhaftes Kind gewesen, trotz der Krankheit und der Vernachlässigung ihrer Mutter. Wie lange würden Jasper und Crispin brauchen, um auch sie zu brechen?
Nicht eine Minute lang kam Louise auf den Gedanken, daß die Pläne ihres Mannes und ihres Sohnes für Elizabeths Tochter vielleicht nicht funktionieren würden. Jasper würde sich durch einen Rückschlag nicht abschrecken lassen.
»Also ist der Hund wieder da«, bemerkte Samuel und nahm einen dampfenden Kessel vom Feuer, als Hugo in die Küche kam. Die Hintertür stand offen, so daß der Raum mit dem klaren Licht der Morgensonne erfüllt war.
Hugo zuckte bei dem grellen Licht zusammen und strich sich durchs Haar. »Wo ist er?«
»Die Miss macht einen Spaziergang mit ihm.« Samuel blickte seinen Arbeitgeber wissend an und tat einen Extralöffel Kaffee in den Krug, bevor er kochendes Wasser daraufgoß.
Hugo fluchte und ging zur Tür. »Hat sie eigentlich überhaupt keinen gesunden Menschenverstand? Nach dem, was letzte Nacht passiert ist, einfach durch die Landschaft zu wandern!«
»Ich glaube kaum, daß sie weit weggegangen ist.« Samuel rührte im Kaffee. »Nicht im Nachthemd und ohne Schuhe.« Er goß dampfenden, schwarzen, duftenden Kaffee in einen Becher. »Warum, was war denn letzte Nacht?«
Hugo antwortete nicht sofort. Er drehte sich um und fragte genervt: »Du willst mir doch nicht sagen, daß sie schon wieder im Nachthemd unterwegs ist?«
»Der Hund hatte es mächtig eilig«, erklärte Samuel und schob den Becher über den Tisch.
Hugo nahm ihn, legte seine Hände darum und sog tief das Aroma ein. Das klärte
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