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Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)

Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)

Titel: Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Marwood
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Gehirnflüssigkeit seinen Hals hinabtröpfelte.
    » Hier, schau«, sagte sie, so sanft sie konnte, » dir ist kalt geworden.«
    Sie hüllte ihn in die Strickjacke– die sie nie wiedersah, nachdem der Krankenwagen ihn abtransportiert hatte– und nahm seine Hand. Tastete den schwächer werdenden Puls und wusste, dass er starb. » Alles ist gut«, sagte sie. » Ich bin hier. Ich bin bei dir.«
    » Ak-haaaaaaaaa«, sagte der Junge. Er konnte nicht älter als acht sein. Was für eine Art zu sterben. Karussells und Zuckerwatte und– der Tod. Irgendwie kam ihr die Frage, was er heute gefrühstückt hatte. Eine letzte Mahlzeit aus Schokopops mit Milch, Eiern und Brotstreifen und eine halbe Packung Haferkekse?
    Sie wandte den Blick kurz ab und sah über die Schulter. Jetzt waren es schon ein paar Hundert Gaffer, die Sorte Menschen, die langsamer fahren, um sich Verkehrsunfälle anzuschauen. Weit aufgerissene Augen, voller Mutmaßungen und schon nach Worten für die spätere Anekdote suchend. Armes Würmchen. Überall Blut, schreiende Menschen und nichts, was man tun konnte.
    » Krankenwagen«, schrie sie mit heiserer Stimme. » Hat jemand einen Krankenwagen gerufen?«
    Vic bricht plötzlich in Gelächter aus. » O mein Gott«, äfft er sie nach. Sie reißt den Mund auf und fährt zusammen.
    » Du hast es nicht gewusst«, sagt er. » Die ganze Zeit nicht. O mein Gott, du hast wirklich geglaubt, du würdest mir etwas verheimlichen!«
    Messerscharfe Panik erfasst sie. Sie sind nicht alleine. Er kann– er darf – nicht so weitermachen. » Nicht«, bittet sie, » Vic, lass–«
    Er amüsiert sich köstlich. » O, mach dir keine Sorgen, Ambel.« Der Versprecher ist beabsichtigt, und nur sie versteht ihn. » Dein Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben. Es ist nur so, ha!, dass ich die ganze Zeit dachte, wir reden eben nicht darüber, weil es nicht nötig ist. Weil wir verstanden haben. Und diese Geschenke, die ich dir gemacht habe…«
    » Geschenke?«
    » Ach, komm. Du weißt schon.«
    Allerdings. Sie hätte es früher sehen müssen. Zwei dieser Leichen waren an Orten abgelegt, wo sie sie finden musste. Und es war reiner Zufall gewesen, dass sie die zweite nicht ebenfalls persönlich gefunden hatte. Dazu noch seine Fragen. Diese kleinen bohrenden, lüsternen Nachfragen, was sie gesehen und dabei empfunden hatte.
    » Nein«, sagt sie. » Nein, nein, nein. Nein.«
    Vic trat einen Schritt vor, sein Gesichtsausdruck spiegelte erzwungene Gelassenheit. » Erledigt«, sagte er. » Sie sind unterwegs.«
    Die Hand des Kindes in ihrer begann zu flattern, sodass sie den Blick wieder ihm zuwandte. Speichel lief ihm aus den Mundwinkeln. Aus einem sinnlosen Drang heraus, seine Würde zu bewahren, tupfte sie ihn mit dem Ärmel der Strickweste ab. Die Silben waren zu einem strukturlosen Lallen geworden. In der Menschenmenge schluchzte hysterisch eine Frau. Verärgert dachte sie: Wenn du damit nicht umgehen kannst, dann geh doch einfach. Tu was Nützliches oder verpiss dich. Selbst in Situationen wie dieser gibt es Leute, die denken, es ginge um sie. Deren Bestürzung über das Unglück anderer nur der Zurschaustellung ihrer ganz besonderen Empfindsamkeit dient.
    Als könnte er ihre Gedanken lesen, drehte Vic sich um und sagte über die Schulter: » Kann mal bitte jemand diese Frau wegbringen? Sie ist keine Hilfe.«
    Bewegung. Zustimmendes Murmeln. Jemand führte die Frau fort, und eine Ansammlung einsichtiger Gaffer schloss sich an. Vic kniete sich neben sie. » Wie geht’s ihm?«, fragte er.
    Amber schüttelte den Kopf, weil sie kein Wort herausbrachte. Hielt einfach nur die Hand des Kindes und spürte den Puls flattern und schwächer werden.
    Er kam näher und beugte den Kopf dicht über den des Kindes. » Hallo, Kumpel«, sagte er. » Du hattest einen Unfall. Mach dir keine Sorgen, der Krankenwagen ist unterwegs.«
    Dann starrte er ihm in die Augen, als ob er den letzten Lebensfunken in sich aufnehmen wolle.
    » Du hast mich für deinen Helden gehalten?«, fragt Vic. » Ach, Amber. Ich hätte mehr von dir erwartet.«
    Ihr ist schlecht. Sie ist verschwitzt, hat Angst.
    » Ich habe gemerkt, dass du mich wahrgenommen hast«, sagt er. » An diesem Tag hab nicht nur ich dich erkannt, sondern du mich auch. Ich hab’s gesehen. Und das war der Anfang von allem, stimmt’s? Als du mich wahrgenommen hast.«
    Das Lächeln geht wieder an wie ein Scheinwerfer.
    » Tja«, sagt er. » Das war gut. Ich kam zwar ein bisschen spät zu der Party, aber es hat

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