Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)
Spaß gemacht.«
KAPITEL 34
Trotz des Umstandes, dass er sich bis ans Meeresufer erstreckt, ist der Botanische Garten meist leer, hauptsächlich weil an den Eingängen Schilder hängen, die Alkohol, Grillen und Ballspielen verbieten. Die einzigen Menschen, die außer Martin hierherkommen, sind Rentner mit folienumwickelten Sandwiches und ab und zu eine Mutter mit Kleinkindern, obwohl der Ort mit seinen ordentlichen Blumenbeeten und den fehlenden Schaukeln nicht besonders attraktiv für sie ist. Er kommt gerne zum Nachdenken her– und nach dem, was er in der Tribune gelesen hat, hat er heute eine Menge zum Nachdenken.
Er setzt sich auf seinen üblichen Platz, eine Bank auf einem kleinen Erdhügel, wo er hoch genug sitzt, um über die den Garten umzäunenden Hecken blicken und das Kommen und Gehen beobachten zu können, ohne sich großartig bewegen zu müssen.
Und das Erste, was er sieht, ist Kirsty Lindsay, die eilig und gesenkten Hauptes aus der Stadt hierhereilt. Er fährt fast aus der Haut. Da soll ihn doch der Teufel holen! Sie ist nun wirklich die Letzte, die er hier erwartet hat. Eigentlich sollte die sich hier nie wieder blicken lassen. Nicht nach allem, was sie seiner Stadt angetan hat, was sie ihm angetan hat. Doch dann überlegt er: Wenn ich sie sehen kann, kann sie mich auch sehen. Und so kauert er sich auf seiner Bank zusammen, um aus ihrem Blickfeld zu geraten. Ein älteres Paar, das an ihm vorbeischlendert, schaut bei dieser plötzlichen Bewegung auf und wechselt gleich auf die andere Seite des Weges, als ob diese zusätzlichen ein Meter fünfzig sie vor seinem Wahnsinn schützen könnten.
Um ihnen zu zeigen, dass ihnen keine Gefahr droht, wirft er ihnen ein breites Lächeln zu. Die Frau umklammert den wollenen Ärmel des Mannes, und die beiden marschieren entschlossen zum nächsten Ausgang.
Er wartet, bis sie verschwunden sind, dann reckt er den Kopf, um zu sehen, wo sie abgeblieben ist. Verwundert stellt er fest, dass sie in den zwanzig Sekunden, die er unten war, gut hundert Meter weitergekommen und schon beinahe am Zaun ist. Sie schaut nicht nach rechts und links, scheint in Gedanken versunken. Sie überquert die Park Road, erreicht den Zaun und biegt nach links zum Eingang ab.
Lieber Himmel, sie kommt hierher, denkt er. Macht sich noch mal klein und robbt hinter die Hortensienbüsche hinter der Bank.
Durch das dichte Blattwerk beobachtet er, wie sie durchs Tor und anschließend den Weg entlangkommt. Jetzt, jenseits der Straße, drosselt sie ihr Tempo ein wenig, scheint jedoch immer noch völlig blind für ihre Umgebung zu sein. Anscheinend hat sie Atemprobleme. Jedenfalls hebt und senkt sich ihre Brust wie in einem viktorianischen Melodram. Fasziniert verfolgt er kriechend, wie sie seinen Hügel umrundet und weitergeht. Sie läuft einmal den gesamten Park ab, was nicht sehr lange dauert, da er kaum größer ist als eine dieser Grünanlagen in Londoner Wohnbezirken. Dann lässt sie sich auf eine Bank fallen, als ob sie vollkommen aus der Puste sei.
Sie tut einige seltsame Dinge. Streckt zum Beispiel die Hände aus und starrt sie an. Sie scheinen zu zittern. Dann drückt sie sie gegen die Schläfen und schaukelt wie ein Kinderspielzeug vor und zurück. Irgendwas hat sie aus der Fassung gebracht, denkt er. Gut so. Mal sehen, wie ihr das schmeckt. Sachte steigt er auf der ihr abgewandten Seite die Erhöhung hinab und arbeitet sich hinter dem Gärtnerschuppen zu einer Stelle vor, an der ein großer Rhododendron finster aufragt, der ihn verdeckt, während er sich zugleich in Hörweite befindet.
Sie telefoniert bereits. Ihre Stimme ist hoch und kraftlos. Ganz anders als beim letzten Mal. Als hätte sie einen Schock erlitten. Als versuche sie erfolglos, ihre Panik in den Griff zu bekommen.
» Hi, Minty«, hört er sie sagen. » Kirsty Lindsay hier. Ist Jack zufällig schon aus der Konferenz zurück? Verdammt. Okay. Sagst du ihm, er soll mich sofort zurückrufen, sobald er wieder da ist? Ja, auf dem Handy. Ich bin in Whitmouth. Ja, okay. Danke.«
Sie legt das Handy auf die Bank und schaukelt erneut vor und zurück. Schlingt die Arme um den Körper, als sei ihr kalt, obwohl das Sonnenlicht so strahlend hell ist, dass man die abblätternde Farbe an den Fassaden in allen plastischen Einzelheiten erkennen kann. Sie steht auf und wechselt auf eine andere Bank im Schatten einer stattlichen Buche. Martin folgt ihr so leise wie möglich, um nicht entdeckt zu werden. Sie lehnt sich zurück und schließt
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