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Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)

Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)

Titel: Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Marwood
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Gewicht des kleinen Mädchens unter Wasser gedrückt. Bel sieht, wie sie mit den Füßen strampelt und eine seesternförmige Hand die Oberfläche durchbricht. Sie packt das Handgelenk und zieht. Stellt ihren Fuß auf einen mit Flechten überzogenen, glitschigen Stein, verlagert das Gewicht darauf und merkt, dass ihr die Beine wieder wegrutschen. Sie lässt Jades Handgelenk los und versucht, mit den Händen den Grund zu finden, um sich nach oben zu stoßen. Das Wasser unter der Oberfläche ist braun, voller Schmutzpartikel und Unkrautfetzen, ihre zappelnden Gliedmaßen wühlen es auf und lassen Luftblasen aufsteigen.
    Dann taucht sie auf. Jade ist auf der anderen Seite des Beckens und arbeitet sich auf den Ellbogen hustend und spuckend rückwärts aus dem Wasser, das Haar schwarz und voller Zweige und Erde, der Stiel einer Malve hat sich um ihr Ohr gewickelt, und die Blüte baumelt wie das Piercing eines Piraten an der linken Wange. Sie tastet danach, streift sie und schleudert sie voller Panik in die Mitte des Beckens.
    Sie landet auf Chloes zur Hälfte im Wasser liegenden Körper. Die rührt sich nicht. Ihr Gesicht befindet sich unter der Oberfläche.
    » Oh mein Gott«, ruft Jade und stürzt wieder zurück. Sie packt Chloes Hemd am Rücken und stolpert ans Ufer zurück. Bel folgt ihr, und gemeinsam manövrieren sie das Kind auf festen Boden, wobei sie in ihrem Gesicht verzweifelt nach Lebenszeichen suchen.
    Auf ihrem Augapfel klebt Schlamm.
    » Sie atmet nicht. Sie atmet nicht!« Bel lässt ein lebloses Handgelenk fallen, tätschelt schlaffe, weiße Wangen.
    » Herz-Lungen-Reanimation«, sagt Jade. Das hat sie immer wieder in ihrer Krankenhausserie gesehen: Hustend und weinend kehren die Toten unter den pumpenden Fäusten der Sanitäter ins Leben zurück. Sie stößt Bel beiseite, legt beide Handflächen auf Chloes Brustkorb und beginnt aus der Hüfte heraus kräftig zu drücken.
    Sie fährt damit fort, immer wieder, bis sie nach fünf Minuten im Inneren etwas knacken hört und eine ölige Blase aus den geteilten Lippen des Kindes aufsteigt.

KAPITEL 46
    In ihrer Tasche findet sie die zerknitterten Überreste einer Zigarettenschachtel: drei Camel mit Filter– Jackies Marke– und ein unter die Packungsfolie geklemmtes Minifeuerzeug. Sie muss sie bei einem der vielen Male vergessen haben, als sie sich die Fleecejacke auslieh, um in den Garten zu gehen. Sie betrachtet sie einen Moment lang, dann denkt sie: Zum Teufel, was soll’s. Es gibt keinen mehr, der mir sagt, dass ich es lassen soll, außerdem stehe ich auf der Liste für ein langes Leben nicht gerade weit oben.
    Sie steckt sich eine in den Mund, zündet sie an und inhaliert tief, und befreit sich vom hässlichen Optimismus, den die Dämmerung verbreitet. Der Tabak schmeckt alt, kratzt im Hals und ist so stark, dass ihrem aus der Übung geratenen Gehirn schwindelig wird. Sie muss sich kurz mit einer Hand an das Haltestellenhäuschen lehnen, um nicht hinzufallen. Gottverdammt, denkt sie. Wenn man es dauernd macht, merkt man die Wirkung kaum, aber Tabak ist wirklich ein ganz schön starkes Zeug.
    Martin rührt sich und gibt ein sinnloses Gurgeln von sich. Amber sieht auf ihn hinunter und merkt, dass das Blut fast ihre Füße erreicht hat. Angewidert tritt sie zurück und zieht ein weiteres Mal an der Zigarette. Solange er blutet, schlägt sein Herz noch, überlegt sie. Ich muss warten, bis es stehen bleibt. Muss sicher sein, dass er tot ist, bevor ich anrufe.
    Am Ufer hört sie den Motor eines Autos anspringen und das Quietschen der Reifen, als es vom Parkplatz fährt. Das wird sie sein, denkt sie. Bitte, lass sie es sich nicht anders überlegen. Es hat schon viel zu viel Verschwendung gegeben. Unser Leben, diese zusammengeschrumpfte, bittere Existenz, muss irgendwann ein Ende haben. Der Kreislauf aus Rache und Strafe, seine Weitergabe an die nächste Generation, muss aufhören. Ich will nicht, dass es immer weitere Kreise zieht, dass es ihren Ehemann zerstört oder diese unschuldigen, geborgenen kleinen Kinder. Wofür sollte das gut sein? Wem würde es etwas nützen? Der Gesellschaft. Ich weiß. Der Gesellschaft. Aber seien wir doch ehrlich: Der Gesellschaft ist es in Wirklichkeit egal, wem sie die Schuld gibt, solange sie überhaupt jemandem die Schuld geben kann.
    Sie nimmt noch einen Zug und geht zu der Stelle, an der der Koppler liegt. Blut, Hautfetzen und Haare kleben an den Schrauben und Muttern. Das Eisen hat einen roten Rostanstrich, an den

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