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Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)

Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)

Titel: Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Marwood
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und Jim auf einem solchen zugebracht, um die Fassade zu verschalen, weil sie nach dem Einzug feststellen mussten, dass sie ein Haus gekauft hatten, das sich absenkte.
    Beim Gedanken an Jim hebt sie ruckartig den Kopf und blickt den Bohlenweg hinunter, in der Erwartung, der Rattenmann wäre auf seiner Flucht mindestens ein- bis zweihundert Meter weiter vorangekommen. Zu ihrer Überraschung ist er jedoch noch da und steht, die Arme kampflustig verschränkt, lachend auf der anderen Seite des Müllhaufens. » Jade!«, schreit er. » Jade Walker!«
    Sie fühlt Wut in sich aufsteigen. Eine tief sitzende, schwelende Wut darauf, jemals dieses Kind gewesen zu sein. Darauf, dass sie auf dem Schulhof zum Sündenbock für die Vergehen ihrer Geschwister gemacht wurde, die längst nicht mehr an der Schule waren; auf die Erwachsenen, die sie wegjagten, wo immer sie sich niederließ; auf verschlossene Türen und hungrige Nächte; auf den Vater mit den brutalen Händen; auf die Pfarrer, Lehrer und Sozialarbeiter, die wegsahen. Das alles schwelt in ihr, jederzeit bereit, sich zu entzünden. Kirsty zu sein ist ihre Kontrolle, ihre Sicherheit, das Einzige, das zwischen ihr und ihrer grausamen Kindheit steht.
    » Nein!«, schreit sie, vom Wind umtost, während sie sich müht, auf die Beine zu kommen. Sie ist sich kaum bewusst, dass sie immer noch den Koppler in der Hand hält, so fest, dass sie blaue Flecke an den Fingern bekommt, mit denen sie ihn umklammert. » Nein! Das bin ich nicht! Ich bin Kirsty Lindsay! Kirsty Lindsay! Ich bin nicht sie. Nein!«
    » Jade!«, wiederholt er und zeigt auf sie mit der typischen Geste des Schulhoftyrannen.
    » Du sollst das nicht sagen!«, kreischt sie. Ihre Füße tragen sie durch den Sturm ihm entgegen. Sie hofft nicht mehr darauf, vernünftig mit ihm reden zu können. Kann an nichts anderes mehr denken als an die Häme in seinem Gesicht, sein triumphierendes, schreiendes Lachen. » Hör auf! Ich kenne sie nicht. Ich bin Kirsty, nicht sie. Ich bin nicht sie!«
    » Doch«, schreit Martin Bagshawe, erhitzt vom Triumph und mit übermütig aufgerissenem Mund. Noch nie hat er sich so lebendig gefühlt, so elektrisiert von seiner eigenen Macht. » Ab morgen schon, oder?«
    Sie schwingt den Arm auf den klaffenden Mund, um ihn zum Schweigen zu bringen.

KAPITEL 45
    So schnell, wie er eingesetzt hat, lässt der Regen wieder nach. Halb laufend, halb schlurfend kommt Amber auf dem Bohlengang voran und stolpert beinahe über die beiden, bevor sie sie sieht. Dann sind sie plötzlich da, hinter dem Berg von Gerüststangen, im Schutz eines Bretterstapels. Kirstys Rücken sieht sie zuerst, vornübergebeugt, als weine sie. Zunächst denkt sie, er sei entkommen, und sie habe verzweifelt und resigniert aufgegeben und sich dem Klagen überlassen. Doch dann sieht sie die Beine, die weißen Turnschuhe, deren Spitzen zu den dahinrasenden Wolken über ihnen aufragen.
    » Oh Gott«, sagt sie und bleibt regungslos stehen. Kirsty bemerkt sie zuerst nicht, sie beugt sich über ihn und starrt ihm ins Gesicht. Angeschlagen und geschwächt nähert sich Amber auf Sichtweite und sieht, dass der Mann auf dem Boden Martin Bagshawe ist.
    Sie ringt nach Luft. Kirsty hört es und wirbelt herum. Sie ist aschfahl. » Das wollte ich nicht«, sagt sie. » Ich wollte nicht, dass…«
    Amber legt die letzten paar Schritte zurück und stellt sich hinter sie. » Herrje. Was macht der denn hier?«
    Martin schnarcht. Obwohl sie ihn aus der Distanz erkannt hat, sieht sie jetzt, dass seine gesamte linke Gesichtshälfte– die ihr abgewandt war, als sie sich näherte– eingeschlagen und ein einziges Loch ist. In der größer werdenden Blutlache neben seinem Ohr liegen ausgebrochene Zähne.
    » Du kennst ihn?«, fragt Kirsty.
    Sie tut die Frage mit einem Schulterzucken ab. Nebensächlich. » Jesses, womit hast du den denn erwischt?«
    » Ich wollte nicht… Ich…« Kirsty blickt auf ihre rechte Hand hinunter. Sieht, dass sie den Koppler noch immer umklammert hält, und schleudert ihn von sich, als hätte er zu glühen begonnen. Er poltert über die Bohlen und bleibt im Dreck liegen. » Ich wollte nicht… O Gott! Er ist doch okay, oder?«
    » Nein«, sagt Amber. » Er ist nicht okay.«
    Sie geht in die Knie und fühlt seinen Puls. Er ist schwach, aber da.
    » Ich wollte das nicht«, setzt Kirsty an. » Mir war nicht klar… O Gott, was machen wir jetzt?«
    Martin stößt ein gurgelndes, feuchtes Seufzen aus. Er atmet nicht durch die Nase, weil

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