Im Schatten der Lüge: Thriller (German Edition)
hat, Wind davon bekommt, dass wir eigentlich nicht mal mehr die Hypothek abbezahlen können, die wir als Folge seiner Entlassung bei ihr aufnehmen mussten. Trotzdem, das ist natürlich Mittelklassegejammere. Ist mir absolut klar. Unseretwegen vergießt kein Interessenverband eine Träne.
Eigentlich müsste sie auch ein paar Fragen stellen, vielleicht ist dies ja die einzige Gelegenheit, die sie je bekommt. Aber sie weiß nicht, wo sie anfangen soll. » Und du? Du hast da jemanden erwähnt.«
» Ja«, sagt Amber. » Dein– dein Mann, vermute ich, hat gestern mit ihm telefoniert. Vic. Wir leben zusammen. Sechs Jahre jetzt.«
» Gut… ich… gut«, sagt sie lahm und ist sich klar, wie gönnerhaft das klingen muss. » Wie habt ihr euch kennengelernt?«
» Bei der Arbeit. Wir arbeiten zusammen. Na ja, nicht zusammen, aber er arbeitet auch im Funnland. Und ihr?«
» Ach«, antwortet Kirsty, » das Übliche. Gemeinsame Freunde. Wir… haben auf Partys ein paarmal miteinander geredet, und… du weißt schon.«
Partys, denkt Amber. Noch so was, das mir entgangen ist. Zumindest die Kategorie Partys, über die du sprichst: auf denen die Leute Taramas essen und einander gegenseitig zum Tanzen auffordern. Warum hab ich bloß das Gefühl, als wolle sie mir das unter die Nase reiben?
» Weiß er Bescheid?«, fragt sie. » Dein Mann? Über dich?«
» Jim?« Der Gedanke verursacht Kirsty Gänsehaut. » Um Gottes willen, nein. Nicht das Geringste. Ich konnte nicht. Und wüsste auch nicht, wie…«
Ambers Ton ist barsch, bohrend. » Und was hast du ihm erzählt? Wie ist deine Deckgeschichte?«
» Ich… Üble Eltern. Sozialfürsorge. Dass ich nie mehr dahin zurück will, du weißt schon.«
» Und das glaubt er?«
» Er… Am Anfang hat er, denke ich, oft davon geträumt, eine Art wundersame Familienzusammenführung herbeiführen zu können. Das hat er aber schon vor Langem aufgegeben. Ich glaube, jetzt akzeptiert er es und denkt, es sei eben das, was mich ausmacht. Dass ich einfach nicht dorthin zurück und auch nicht daran erinnert werden will.«
» Darauf geh ich jede Wette ein«, sagt Amber.
Kirsty schluckt. Dieses ganze Zusammentreffen hier läuft gar nicht gut, sie weiß es. Aber eigentlich hat sie das auch nicht erwartet. » Was ist mit deinem… Vic? Weiß er es?«
» Er fragt nicht«, antwortet Amber. » Wahrscheinlich bin ich deshalb mit ihm zusammen. Er fragt nie. Wirklich nach gar nichts. Er ist der unneugierigste Mensch, dem ich je begegnet bin.«
Der am wenigsten neugierige, meldet sich Kirstys innere Redakteurin. Sie versetzt ihr einen mentalen Klaps. Aber, bei Gott, das klingt so– trist.
Amber liest ihr den Gedanken vom Gesicht ab. » O, mich musst du nicht bedauern«, fährt sie Kirsty an. » Ich brauche dein Mitleid nicht. Mir gefällt es so, das kannst du mir glauben.«
Kirsty spürt, wie sie errötet, und senkt den Blick. Die Kellnerin kommt mit ihrem Kaffee. » Ich hab ein bisschen Schokolade draufgetan«, sagt sie zu ihr. » Ich hoffe, das ist okay.«
» Danke«, entgegnet Kirsty, die eigentlich mehr der Zimttyp ist.
Sie rührt das Getränk um und sieht Amber dabei verstohlen an. » Entschuldigung, Amber.«
Ein Stirnrunzeln, misstrauisch, defensiv. » Entschuldigung? Wofür?«
» Nein«, sagt Kirsty hastig. » So hab ich es nicht gemeint, wirklich. Ich wollte mich nur entschuldigen, falls ich dich beleidigt haben sollte. Und weil ich… nichts von Blackdown Hills wusste. Ich hatte keine Ahnung, dass dir das passiert ist.«
» Ach ja? Und wenn, was hättest du dann gemacht? Wärst du angaloppiert gekommen, um mich zu retten?«
» Du weißt, dass ich… Mein Gott. Ich hab’s einfach nicht gewusst, das ist alles. Und es tut mir leid.«
Ambers Miene signalisiert immer noch Verteidigungshaltung. Ich mache das nicht gut, denkt Kirsty. Jim könnte es viel besser. Er wüsste, wie man mit ihr redet. Könnte ich ihn doch bloß fragen.
Amber schüttelt mehrmals den Kopf. » Also, ich bin nicht die tragische Gestalt, für die du mich anscheinend hältst, Jade. Wie’s halt so ist. Es ist vielleicht nicht Farnham, aber mir geht’s gut. Ich brauche dein Mitleid nicht, trotzdem danke.«
Kirsty schämt sich, sie fühlt sich missverstanden und windet sich unter Ambers Ton. Sie ist wütend auf mich? Ich war’s nicht. Ich hab sie nicht nach Blackdown geschickt. » Ja! Sorry! Mein Gott, ich mach alles falsch, ich weiß es ja. Ich wollte nicht…« Sie verliert den Faden. Rührt niedergeschlagen wieder
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