Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Nein, stimmt nicht. Limonade. Der Hurensohn durfte Sprudel ausfahren, als hier Weiße für vier Dollar Tageslohn in den Reisfeldern geackert haben.« Er legte die selbstgebastelte Angelrute hin und rollte sich eine Zigarette. Auf dem dünnen weißen Papierblättchen, worauf er den Tabak gab, wirkten seine Fingernägel so dick und hornig wie ein Schildkrötenpanzer. Wut und Scham ließen seine Finger fast unkontrollierbar zittern.
Ich fuhr zu Twinky Lemoynes Betrieb in Lafayette, aber dort war schon geschlossen. Zwanzig Minuten später fand ich Lemoyne zu Hause bei der Gartenarbeit. Der Himmel war so rosa wie Lachsrogen, und der Wind beutelte die Bananenstauden und Limonensträucher entlang der Hauswand. Er hatte aufgehört, die Rosen am Spalier zu stutzen, und die Gartenschere in die weite Hüfttasche seiner verblichenen Arbeitshosen gesteckt.
»Das war eine Zeit, in der viele schlimme Dinge unter Menschen verschiedener Hautfarbe passiert sind. Aber wir sind nicht mehr so wie früher, oder?« sagte er.
»Ich denke doch.«
»Sie scheinen nicht in der Lage zu sein, die Vergangenheit ruhen zu lassen, Sir.«
»Meiner Erfahrung nach löst man sich am besten von der Vergangenheit, indem man sich damit auseinandersetzt, Mr. Lemoyne.«
»Irgendwie habe ich das Gefühl, daß ich Ihnen bestätigen soll, was Sie bisher nur vermuten.« In seinem gekämmten sandfarbenen Haar waren kleine Schmutzpartikel, auf der Brille ein dünner Film aus Schweiß und Blütenstaub.
»Das können Sie interpretieren, wie Sie wollen. Aber irgendwie führt mich die Untersuchung immer wieder an Ihre Tür.«
Er schnitt weiter an den Rosen herum und steckte einzelne in eine Milchflasche mit grünem Wasser. Rings um das zweistöckige weiße Haus mit dem Giebeldach in einer alten, wohlsituierten Wohngegend am St. Mary Boulevard in Lafayette standen eindrucksvolle moosüberwucherte Eichen. Das Grundstück war gesäumt von Bambushecken und einer mattrosa Ziegelmauer.
»Soll ich meinen Anwalt anrufen? Raten Sie mir das?«
»Das können Sie gerne machen. Ich glaube nur nicht, daß das Ihr Problem lösen wird.«
»Ich verstehe nicht.« Die Gartenschere verhielt reglos über einer Rose.
»Ich glaube, daß Sie 1957 einen Mord begangen haben. Nur daß Ihre Psyche so gar nicht der eines Mörders entspricht, wie ich es sehe. Was bedeutet, daß Sie wahrscheinlich von furchtbaren Schuldgefühlen geplagt werden, Mr. Lemoyne. Sie legen sich damit abends ins Bett, und Sie wachen damit morgens auf. Sie schleifen es den ganzen Tag wie eine klirrende Kette mit sich rum.«
»Also, irgendwie bin ich für Sie zu einer fixen Idee geworden. Wie kommt das? Erst haben Sie mich beschuldigt, mit einem Gangster aus New Orleans unter einer Decke zu stecken. Und jetzt diese Sache mit dem ermordeten Schwarzen.«
»Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie Sie’s getan haben.«
Das ovale Gesicht verhielt völlig reglos. Blut stieg in seine Wangen wie rosa Blumen.
»Ich war grad mal neunzehn«, sagte ich. »Ich habe Sie von der anderen Seite der Bucht beobachtet. Der Schwarze versuchte zu fliehen, und einer von Ihnen hat ihn ins Bein geschossen, und als er ins Wasser fiel, hat er immer weiter abgedrückt. Es schien Ihnen ziemlich egal zu sein, daß ich es gesehen hatte. Womit Sie ja recht hatten. Niemand hat meiner Geschichte viel Aufmerksamkeit geschenkt. Das war eine harte Lektion für einen Neunzehnjährigen.«
Er klappte die Schere zu, ließ die Klammer am Griff einrasten und legte sie auf die Glasplatte eines Gartentischs. Er goß sich zwei Finger breit Whiskey in ein Glas, in dem kein Eis war, und preßte eine Zitrone hinein. Er wirkte so einsam, wie es einem Mann zukam, der sein ganzes Leben lang alleine gelebt hatte.
»Möchten Sie gerne auch etwas trinken?« fragte er.
»Nein, danke.«
»Ich leide unter zu hohem Blutdruck und sollte eigentlich nicht trinken, aber ich gebe einfach Zitronensaft dazu und rede mir dann ein, daß ich mit dem Alkohol noch was Gesundes zu mir nehme. Ein kleiner Privatscherz.« Er holte tief Luft.
»Wollen Sie drüber reden?«
»Wohl kaum. Bin ich verhaftet?«
»Im Augenblick nicht. Aber ich glaube, das ist wirklich das geringste Ihrer Probleme.«
»Sie stellen mich vor Rätsel, Sir.«
»Sie betreiben zusammen mit Murphy Doucet einen privaten Sicherheitsdienst. Ein Bursche wie der ist wohl kaum vom selben Holz wie Sie geschnitzt.«
» Er ist ein ehemaliger Polizeibeamter. Er hat den beruflichen Background, der mir für so was
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