Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Zeug gemacht, Dave?«
»Sieht so aus.«
»Mannomann«, sagte er. Dann änderte sich seine Miene. »Vielleicht sollte jemand dem mal zeigen, was passiert, wenn man über einen Stacheldrahtzaun klettert.«
»Das hab ich nicht gehört, Deputy«, sagte Rosie.
»Mir egal«, sagte er. »So’n Kerl, wenn den bestimmte Leute hier in die Finger kriegen, da muß man sich keine Gedanken mehr wegen Beweisen machen. Oh nein. Da brauchen Sie nur Dave zu fragen.«
In der Truhe fanden wir elf kleine Paar Mädchenunterwäsche, Kinderstrümpfe, getupfte Leibchen, kleine Büstenhalter, einen einzelnen schwarzen Schuh aus Kunstleder, dessen Verschluß kaputt war, ein Malbuch, eine rote Haarlocke, die auf eine Karteikarte geklebt war, abgerissene Eintrittskarten für Morgenvorstellungen in einem hiesigen Kino, ein halbes Dutzend alter Fotos von Murphy Doucet in der Uniform eines Deputy Sheriffs im Jefferson Parish, die ihn alle inmitten von Kindern zeigten, bei Picknickfesten unter moosüberwucherten Bäumen, bei einem Baseballspiel der Little League, an einem Swimmingpool, wo Kinder für die Kamera Luftsprünge machten. Alle Kleidungsstücke waren gewaschen, sauber gefaltet und ordentlich auf dem Boden der Truhe verstaut, wo sie eine adrette Lage in Rosa, Blau und Weiß bildeten.
Nach einer kurzen Pause sagte Rosie: »Das ist sein Schrein.«
»Wofür?« fragte ich.
»Für die Unschuld. Er ist ein Psychopath, ein Vergewaltiger, ein Serienmörder, ein Sadist, vielleicht nekrophil, aber außerdem ist er auch noch pädophil. Wie die meisten Pädophilen sucht er einen Zustand der Unschuld wiederzuerlangen, indem er sich mit Kindern umgibt oder sich an ihnen vergeht.«
Dann stand sie auf, ging ins Bad, und ich hörte das Wasser laufen, hörte sie ausspucken, hörte das Wasser spritzen.
»Würd’s dir was ausmachen, mal kurz rauszugehen, Expidee?« sagte ich zu dem Deputy.
»Nein, nein, kein Problem«, sagte er.
»Wir kommen gleich nach. Danke für deine Hilfe hier.«
»Kommt der Kerl auf Kaution raus, Dave?«
»Wahrscheinlich schon.«
»Das ist nicht recht«, sagte er. Er wiederholte es noch einmal, als er zur Tür hinausging: »Das ist nicht recht.«
Die Tür zum Bad stand einen Spalt offen, als ich daran klopfte. Sie stand mit dem Rücken zu mir, die Arme starr aufs Waschbecken gelegt. Das Wasser lief immer noch. Immer wieder versuchte sie sich zu räuspern, als sei ihr eine Fischgräte im Hals steckengeblieben.
Ich öffnete die Tür, nahm ein sauberes Handtuch aus einem Schränkchen und wollte ihr damit das Gesicht abtupfen. Ihre Hand fuhr hoch, geradeso, als ob ich sie hätte schlagen wollen.
»Kommen Sie mir damit nicht zu nahe«, sagte sie.
Ich legte das Handtuch auf dem Badewannenrand ab, zog das oberste Kleenex aus einer Schachtel, ließ es im Papierkorb verschwinden, zog dann noch mehrere heraus, knüllte sie in der Hand zusammen und berührte damit ihr Gesicht. Sie stieß meine Hand weg.
»Es tut mir leid. Bei mir hat’s ausgesetzt«, sagte sie.
»Da machen Sie sich mal keine Sorgen drum.«
»Diese Kinder, und dieser Geruch im Kofferraum.«
Sie sperrte die Augen auf, so weit sie konnte, um die Tränen zurückzuhalten, aber es gelang ihr nicht. Sie fluteten ihre braunen Augen und rannten dann wie kleine Bäche über ihre Wangen.
»Ist ja alles gut, Rosie«, sagte ich und legte meine Arme um sie. Ihr Kopf vergrub sich an meiner Brust. Ich spürte ihren ganzen Körper an meinem, und ihr Rücken hob und senkte sich unter meinen Händen. Ihr Haar roch nach Erdbeershampoo, ihre Haut nach Seife.
Das Fenster stand auf, und der Wind drückte den Vorhang in den Raum. Auf dem Golfplatz auf der anderen Straßenseite sah man auf einem Grün ein rotes Fähnchen an einem Stock flattern, der selbst in der Halterung im Loch vibrierte. Die ersten Regentropfen fielen, fast parallel zum Boden, und in einem stillen Teich mit dichtem Schilf sah ich eine Gestalt stehen. Hinter ihm wogte dramatisch ein Myrtenstrauch. Er stemmte sich aufrecht mit seiner Krücke gegen den Wind, der Bart flatterte ihm ins Gesicht, der Mund ein großes O, die Worte übertönt vom Donnergrollen in der Ferne. Der Stumpf des amputierten rechten Beins war in frische weiße Bandagen gehüllt, die bereits wieder von frischem Blut scharlachrot gefärbt waren.
»Wovor wollen Sie mich warnen, General? Warum auf ein mal wieder diese Schmerzen, Sir?»
Rosie drehte ihr Gesicht an meiner Brust, dann löste sie sich von mir und huschte zur Tür hinaus. In einer
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