Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
zuckte und um seine Augen ein Lächeln spielte. Er nahm sein geblümtes Hemd von einer Stuhllehne und zog es sich in aller Ruhe vor dem Spiegel an der Tür zum Bad an, als ob wir gar nicht da wären.
Ich gab Rosie die Flinte, legte die Hände an die Hüften und musterte meine Schuhspitzen. Dann zog ich einen Aluminium-Baseballschläger aus der Leinentasche, schloß beide Hände fest um den mit Klebeband umwickelten Griff und ließ den Schläger auf seinen Nacken und seine Schultern herabsausen. Seine Stirn prallte gegen den Spiegel, der an einer Stelle zersprang, von feinen Rissen wie von einem Spinnennetz durchzogen wurde, als hätte man mit dem Luftgewehr drauf geschossen. Er drehte sich zu mir um, Augen und Mund ungläubig weit aufgesperrt, und ich schlug noch mal zu, hart, diesmal mitten ins Gesicht. Er krachte kopfüber gegen das Toilettenbecken, ein Schwall von Blut schoß aus seiner Nase, und der Mund hing völlig schief nach einer Seite, als seien alle Muskelfasern und Nervenenden dort mit einem Schlag durchtrennt worden.
Ich beugte mich vor und fesselte ihn mit Handschellen an die Toilettenschüssel. Seine Augen waren nach hinten gerollt und konnten nicht klar sehen. Sie standen dicht beieinander wie die eines Schweins. Unter seinem Kinn füllte sich das Wasser in der Toilette mit dunklen Tropfen – wie scharlachrote Baumwolle, die sich auflöst.
Ich gab ihm mit der Baseballkeule einen Stups auf den Arm. Er blickte auf und sah mir ins Gesicht.
»Wo ist sie, Julie?« fragte ich.
»Ich hab Doucet von der Leine gelassen. Mit dem, was er tut, hab ich nichts zu tun. Bleib mir jetzt vom Leib, sonst zahl ich dir das heim, Dave. Scheißegal, ob du ein Cop bist oder nicht, ich setz ein Kopfgeld auf dich aus, ich laß deine ganze Familie fertigmachen, ich –«
Ich drehte mich um und nahm Rosie die Pumpgun aus den Händen. Ich konnte sehen, wie sich in ihrem Gesicht Worte formten, aber ich ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen. Ich beugte mich vor, gerade noch am Rand von Julies Blickfeld.
»Letzte Chance, Feet.«
Er atmete heftig durch die Nase aus und versuchte sich das Gesicht an der Schulter abzuwischen.
»Das ist die Wahrheit, ich schwör’s. Ich hab keinen blassen Schimmer, was der Kerl so anstellt«, sagte er. »Das ist ’n Perverser ... solche Typen heuer ich nicht an, die schick ich zum Teufel... ich hab schon genug Ärger, ohne daß Irre für mich arbeiten.«
»Du lügst schon wieder, Julie«, sagte ich, trat zurück, zielte mit der Flinte über seinen Kopf und schoß schräg in den Wassertank der Toilette. Die Rehposten spritzten Wasser und Keramiksplitter über die ganze Wand. Ich hebelte die leere Patronenhülse auf den Boden. Julie riß an seinen Fesseln, daß die Toilette wackelte, wie ein Tier, das sich aus einer Stahlfalle zu befreien sucht.
Ich legte die warme Mündung an seine Augenbraue.
»Allerletzte Chance, Feet.«
Er schloß die Augen; er verlor die Beherrschung und stieß unkontrollierte Blähungen aus; Wasser und winzige Keramikscherben tropften aus seinem Haar.
»Er hat eine Hütte im Süden vom Bayou Vista«, sagte er. »Fast schon an der Atchafalaya-Bay. Sein Name steht nicht im Grundbuch, niemand weiß davon, da macht er seine ganzen perversen Sachen. Es ist genau da, wo die Straße an der Salzmarsch aufhört. Ich hab’s mal gesehen, als wir mit meinem Boot unterwegs waren.«
»Ist meine Tochter dort?« fragte ich ruhig.
»Ich hab’s dir doch gesagt, da geht er hin, wenn er was Perverses vorhat. Mach dir selbst deinen Reim drauf.«
»Wir kommen nachher zurück, Feet. Du kannst ordentlich Krach schlagen, wenn dir danach zumute ist, aber deine Schläger sind weg, und der Mann vom Wachdienst sieht sich Kriegsfilme im Fernsehen an. Wenn ich meine Tochter wiederkriege, schick ich jemanden vom Department, der kommt und holt dich. Dann kannst du mich anzeigen, oder was du sonst tun willst. Aber wenn du mich angelogen hast, dann ist das was anderes.«
Ich sah, wie in seinen Augen eine verborgene Unruhe aufkeimte, eine Sorge, eine Angst, die nichts mit mir oder dem Schmerz und der Erniedrigung zu tun hatte, die ich ihm zugefügt hatte. Es war die Angst, die unweigerlich in den Augen von Männern wie Julie und seinesgleichen auftaucht, wenn sie begreifen, daß sie durch eine ironische Fügung sich jetzt selbst Mächten gegenüber sehen, die ebenso grausam und ungehemmt von Moralvorstellungen sind wie die Energien, mit denen sie selbst jeden Morgen ihres Lebens begonnen
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