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Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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und leuchtenden Erscheinungen, die sich ihm in seiner Zelle offenbarten; es wurde schnell offenkundig, daß ihm daran lag, mir sympathisch zu sein, daß er mir alles sagen würde, was ich hören wollte. Ich mußte ihm nur die Details eines Mordfalls liefern, und er würde sich das Verbrechen zu eigen machen.
    (Später gestand ein arbeitsloser Arbeiter von den Ölfeldern, daß er die schwarze Frau ermordet hatte, nachdem ihm ihr Ehemann einen zehn Jahre alten Wagen überlassen hatte.)
    Ich fragte Jack Hatfield, ob er durch seine Kooperationsbereitschaft zu erreichen versuchte, daß sein Urteil in eine Haftstrafe umgewandelt wurde. Darauf antwortete er: »Nö, solang’s legal is, will ich dafür nix haben.«
    Mit sanftmütigem Gesichtsausdruck lieferte er mir eine Chronik der langen Liste von Morden, die er auf den Straßen von Maine bis Südkalifornien begangen hatte. Er hätte genausogut von einer Sammlung von Ziertellern reden können, die er aus allen Staaten, durch die er kam, zusammengetragen hatte. Wenn er tatsächlich getan hatte, was er mir gegenüber angab, zeigte er nicht die geringste Reue.
    »Meine Opfer haben nich leiden müssen«, sagte er.
    Dann begann er von seiner Mutter zu reden, und eine unglaubliche Verwandlung ging in ihm vor. Tränen flossen in Strömen über sein stumpfes Gesicht, er zitterte am ganzen Körper, seine Finger hinterließen weiße Striemen auf den Armen. Allem Anschein nach war sie nicht nur eine Prostituierte, sondern auch pervers gewesen. Als er klein war, mußte er auf ihren Befehl neben dem Bett stehen und ihr beim Geschlechtsakt mit den Freiern zusehen. Als er versucht hatte, sich im Wald zu verstecken, prügelte sie ihn mit einer Reitpeitsche, schleifte ihn zurück zum Haus und zwang ihn, weiter zuzusehen.
    Er saß fünfzehn Jahre im Staatsgefängnis von Wisconsin, nachdem er sie ermordet hatte.
    Dann hielt er kurz inne mit seiner Geschichte, wischte sich das Gesicht mit der Hand, zog sich mit dem Finger das T-Shirt von der Brust und roch an sich.
    »An dem Tag, wo ich aus dem Gefängnis gekommen bin, hab ich noch drei kaltgemacht. Ich hab gesagt, daß ich’s tu, und ich hab’s getan«, sagte er und machte sich daran, die Fingernägel mit einem Zahnstocher zu reinigen, als ob ich nicht anwesend wäre.
    Als ich an jenem Nachmittag wieder hinaus in den herbstlichen Sonnenschein trat, wo es nach texanischen Fichten roch und Häftlinge in weißen Uniformen am Rande eines Baumwollfeldes Stapel von Baumstümpfen verbrannten, war ich davon überzeugt, daß die Geschichte von Jack Hatfields Mutter der Wahrheit entsprach, aber nahezu alles andere, was er mir erzählt hatte, so wenig handfest und greifbar wie ein psychotischer Traum bleiben würde. Vielleicht lag die Antwort auf die Fragen, die ein Mann wie Jack Hatfield aufwarf, bei anderen, dachte ich bei mir. Vielleicht sollten wir die fragen, die ihn letztlich auf die Trage in der Exekutionskammer schnallten, die Injektionsnadel in die Vene stachen, sie sorgsam mit Heftpflaster an der Haut befestigten und durch das Sichtfenster beobachteten, wie das Gift seine Augen trübte und dann sein Herz wie ein Hammer traf. Würde sein Leben, sein geheimes und dunkles Wissen, an sie weitergereicht werden?
    Ich hatte wenig geschlafen, als ich am nächsten Morgen ins Büro aufbrach. Die Sonne war rot und heiß über den Bäumen aufgegangen, und weil ich am Abend zuvor das Fenster heruntergekurbelt gelassen hatte, war das Innere meines Pickups voller Moskitos und triefend feucht. Im Ostteil der Stadt mußte ich an einer Ampel halten und sah eine purpurfarbene Cadillac-Limousine mit getönten schwarzen Fenstern, die ins Halteverbot vor einem Restaurant rollte und direkt vor dem Hydranten parkte.
    Cholo Manelli stieg auf der Fahrerseite aus, streckte sich, lockerte den steifen Nacken, blickte ein paarmal nach links und rechts und lief dann außen um die Limousine herum, um die hintere Tür für Julie Balboni zu öffnen. Dann quoll der Rest von Julies Entourage – drei Männer und die Frau namens Margot – heraus auf den Bürgersteig, die Gesichter verkniffen in der Hitze, die Augen mürrisch zu so früher Stunde.
    Cholo ging auf dem Bürgersteig voran, Vorhut und guter Soldat, der er war. Er drehte den Kopf dabei leicht von einer Seite zur anderen, und seine affenartigen Schultern bewegten sich rollend unter dem geblümten Hemd. Er öffnete die Eingangstür des Restaurants, und Julie trat ein, die anderen im Gänsemarsch hinterher.
    Nichts

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