Im Schatten der Mitternachtssonne
kleine Närrin verstand nichts von fleischlicher Lust. Wovor hatte sie Angst? Seit damals hatte er sie nie wieder angerührt. Zarabeth richtete sich auf.
»Es wird keinen Fleck geben«, meinte sie. Er konnte den Anblick ihrer prallen Brüste kaum ertragen. Er mußte sie nehmen, konnte nicht mehr lange warten. Sobald der Wikinger fort war, würde er ihr das klar machen.
Er schaute zu Lotti hinüber und wußte plötzlich, was zu tun war. Seit langem ahnte er, daß Lotti sein einziges Machtmittel gegen Zarabeth war, hatte sich das nur nicht wirklich eingestanden. Nun wußte er, daß er das Kind für seine Pläne einsetzen würde, ohne Zögern.
Es klopfte an der Ladentür, und Olav sprang auf die Füße. »Ich weiß nicht, wer zu so später Stunde noch bei uns hereinschaut. Hol noch etwas Bier.« Mit diesen Worten hob er das schwere Fell hoch, das den Wohnbereich vom Laden trennte.
Lotti gab einen lallenden Laut von sich. Zarabeth fuhr zu ihr herum. Das kleine Mädchen hatte sich die Faust in den Mund gesteckt. Ihre Augen — von tiefer goldbrauner Farbe — waren vor Angst weit aufgerissen. Ihr rötlichbraunes Haar war zu Zöpfen geflochten und als Kranz um ihren kleinen Kopf gewunden. Ihre Gesichtsfarbe war hell, und um die Nase hatte sie lustige Sommersprossen.
Zarabeth ging in die Hocke neben der Schwester und sprach mit klarer, deutlicher Betonung. »Hab keine Angst, Lotti. Dein Vater wird dir niemals wehtun, das schwöre ich. Du gehörst mir, und ich werde dich immer beschützen. Verstehst du das, Liebes?«
Das Kind sah sie an, und die Angst wich aus ihrem Gesicht. Sie tätschelte lächelnd Zarabeths Hand. Das uneingeschränkte Vertrauen im Gesicht des Kindes zog ihr das Herz zusammen. Lotti hatte blindes Vertrauen zu ihr. Doch Zarabeth war nur eine Frau, konnte nicht mit Waffen umgehen, um sich oder Lotti zu verteidigen. Was auch kommen mochte, sie würde nie zulassen, daß Lotti ein Leid geschah. Sie stand langsam auf und klopfte den Staub von den Knien.
Olav kam zurück, gefolgt von seinem Sohn Keith. Ein Mann, kleiner als sein Vater, mit dunklem Haar und dunklen Augen, bleicher Hautfarbe und einem dichten Bart, auf den er über die Maßen stolz war. Er hatte die Angewohnheit, seine Finger ständig durch den krausen Bart zu streichen. Keith war das Abbild seiner Mutter, wie Olav mit einem spöttischen Unterton zu bemerken pflegte. Er war stattlich gebaut und nicht gerade häßlich, obwohl er seit einem Beinbruch, den er als Junge erlitten hatte, leicht hinkte. Von der Schläfe zog sich eine dünne Narbe über die Wange, die ihn jedoch nicht entstellte. Er war nicht dumm, vermochte aber den Erfolg seines Vaters als Händler nicht zu erreichen. Er hatte nicht sein Talent, was Olav sich allerdings nicht eingestehen wollte. Er war leicht beeinflußbar, seufzte Olav gerne kopfschüttelnd. Dabei war er meist derjenige, der ihn beeinflußte. Zugegeben, Keith ließ sich leicht beschwatzen, vom Gerber, vom Schmied, vom Goldschmied — die Liste war endlos.
Er war zweiundzwanzig, verheiratet mit einer Frau, die in seiner Gegenwart die Unterwürfige spielte und ein scharfzüngiger Drachen war, wenn er den Rücken kehrte. Er hatte Zarabeth kaum Beachtung geschenkt, als Olav sie und Mara nach York brachte und ihr weder Zuneigung noch Ablehnung entgegengebracht. Doch in den letzten Monaten hatte er sich verändert. Er besuchte seinen Vater häufiger, oft ohne Toki, und Zarabeth war aufgefallen, wie er sie anstarrte, während er sich den Bart strich und vorgab, der endlosen Flut guter Ratschläge des Vaters zuzuhören. Sie hütete sich, je mit ihm allein in einem Raum zu sein.
Sie nickte ihm ohne große Freundlichkeit einen Willkommensgruß zu, und Keith starrte sie wieder glutäugig an.
»Wo ist deine Frau?« fragte Olav beiläufig.
»Toki ist im Haus, wo sie hingehört. Sie hat ihren weiblichen Fluch und behauptet zu leiden.« Keith hob die Schultern und blickte auf den Krug mit Bier. »Du hast sie mir ausgesucht, du kennst sie gut genug. Sie hat viel von ihrer Mutter. Ich bin wohl der einzige, dem sie die sanfte Seite ihres Wesens zeigt.«
Zarabeth hätte am liebsten laut aufgelacht bei Keiths Beschreibung des Wesens seiner Frau. Olav überhörte den jammernden Ton und die Bitterkeit in den Worten seines Sohnes. Bei allen Göttern, er kannte Tokis Mutter, eine Frau, bei deren Anblick das Geschlecht eines jeden Mannes in sich zusammenschrumpfte. In Gedanken immer noch bei dem verfluchten Wikinger, sagte er
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