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Im Schatten der Mitternachtssonne

Im Schatten der Mitternachtssonne

Titel: Im Schatten der Mitternachtssonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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bekommst. Sie traut Zarabeth nicht, weil sie die Tochter der streunenden Hure Mara ist. Sie macht sich Sorgen, weil Zarabeth jung und nichtsnutzig ist und es nur auf deinen Reichtum abgesehen hat. Sie will . . .«
    Weiter kam Keith nicht. Zarabeth stürzte sich auf ihn, ihre Finger krallten sich um seine Kehle, und sie schrie: »Du bist es nicht wert, ihren Namen auszusprechen. Meine Mutter war keine Hure! Noch ein Wort, und ich bringe dich um!«
    Zarabeth spürte, wie Olavs Hände sie wegzogen. Toki schrie gellend, Lotti kauerte angstvoll in einer Ecke, und Keith stand einfach da, mit bleichem Gesicht.
    Olav zog Zarabeth kraftlos zurück. Er musterte zuerst Toki, dann seinen Sohn. Dann sagte er mit gefährlich leiser Stimme, die keinen Widerspruch duldete: »Ihr beide verlaßt mein Haus. Ich bedaure dich, Keith, denn du bist schwach und jämmerlich, dir von dieser Frau sagen zu lassen, welche Gedanken deinen Kopf, und welche Gefühle dein Herz erfüllen sollen. Ich an deiner Stelle würde sie gehörig verprügeln. Vielleicht würde ich sie wegen ihrer giftigen Zunge totschlagen. Da ich aber nicht du bin, und du in den Augen der Welt ein erwachsener Mann bist, wirst du dein Los ohne meine Einmischung ertragen. Ihr beide seid nicht länger in meinem Haus willkommen. Geht jetzt auf der Stelle und laßt euch nie wieder hier blicken.«
    »Vater, nein. Das kannst du nicht . . .«
    Olav hob müde die Hand und schüttelte den Kopf. »Geh Keith, und schaff mir diese widerliche Hexe aus den Augen.«
    Toki schwieg zum ersten Mal in ihrem Leben. Sie zitterte vor Wut, aber sie hielt den Mund, wohl wissend, daß jedes weitere Wort ihr nur schaden konnte. Sie mußte ihrem Ehemann untertan sein, obgleich der Tölpel unfähig war, auch nur einen einzigen Walroßzahn ohne Verlust zu verkaufen. Sie würde ihn später zur Rede stellen; sie würde ihn davon überzeugen, daß er Frieden mit seinem Vater schließen müsse und zwar schnell. Davon hing alles ab.
    Andernfalls könnte Toki nicht jeden Abend Gift in das Essen des alten Mannes träufeln.
    Doch sie durfte Keith nicht einweihen, den zimperlichen Schlappschwanz. Nein, sie würde eine Geschichte erfinden, um sich seine Zuneigung zu erschleichen, und später würde er ihren Weitblick erkennen und sich dankbar erweisen. Es war dumm von ihr gewesen, Zarabeth anzugreifen, wenn der Alte sich vorne im Laden aufhielt. Das durfte nicht wieder Vorkommen. Nun mußte sie die Reumütige spielen und Zarabeth um Vergebung bitten.
    Nachdem Toki und Keith gegangen waren, nahm Olav schweigend sein Nachtmahl ein. Er aß langsam Löffel um Löffel, wie um zu prüfen, ob die Suppe ihn krank mache. Dann aß er eine zweite Schüssel davon. »Schmeckt erstaunlich gut«, sagte er und setzte die Schale an den Mund, um die Brühe zu schlürfen.
    Lotti lachte über seine Schmatzlaute, und er lächelte sie an, statt sie wie sonst mit kaum verhohlenem Abscheu anzusehen.
    »Ich bete zu Gott, sie möge dir bekommen, Olav.«
    Zarabeths Gebete wurden erhört. Am nächsten Tag wurde er nur einmal von blutigem Durchfall geplagt. Den Tag darauf gar nicht. Er konnte wieder lachen und arbeitete sogar eine Stunde im Laden. Und am Abend sah er Zarabeth an, und sie las seine Gedanken. Er wollte sie haben, und bald wäre er wieder kräftig genug, um sie zu nehmen. Sie schluckte schwer. Ertragen, sie mußte es ertragen. Sie hatte keine andere Wahl. Sie sah ihn an, während er im Wohnraum einige Otterfelle sortierte. Er hatte sich verändert, behandelte sie und Lotti freundlicher, war milder und umgänglicher geworden. Das hatte etwas mit Tokis bösartigem Angriff zu tun, und, wie Zarabeth vermutete, auch damit, daß ihn das Gespenst des Todes gnädiger stimmte. Doch der Gedanke, daß er sie besteigen, sie berühren würde, versetzte sie in lähmendes Entsetzen.
    Sie durfte sich ihm nicht verweigern. Er war ihr Ehemann, und er hatte das Recht, sie zu nehmen.
    Am folgenden Tag sagte er beim Mittagsmahl: »Ich war beim Ältestenrat. Ich habe den Ratsherren erklärt, daß mein Sohn nicht länger mein Sohn ist. Ich habe erklärt, daß im Falle meines Todes alle meine irdischen Güter auf dich übergehen.«
    Sie blickte ihn erstaunt an. »Aber wieso, Olav? Das ist nicht recht! Du kannst Tokis törichte Worte nicht deinem Sohn anlasten. Gewiß, sie bringt Ärger mit ihrer scharfen Zunge und ihrer Bosheit, aber Keith ist dein einziger Sohn. Und er ist dein rechtmäßiger Erbe. Er hat nicht deine Talente und nicht deinen

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