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Im Schatten der Mitternachtssonne

Im Schatten der Mitternachtssonne

Titel: Im Schatten der Mitternachtssonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Diesmal schlug sie so fest, daß Zarabeth gegen das große Käsefaß flog und ausrutschte. Sie lag nun auf Händen und Knien; die Peitsche sauste mit voller Wucht auf ihren Rücken nieder, das wollene Tuch ihres Gewandes riß auf.
    Sie versuchte, sich auf Ingunn zu stürzen, doch die Lederriemen schlangen sich um ihren Oberkörper, brennender Schmerz durchzuckte sie. Das mußte aufhören. Doch wieder und wieder fuhr die Peitsche singend auf sie nieder. Sie mußte auf die Beine kommen; sie mußte der Frau Einhalt gebieten. Sie versuchte sich mühsam aufzuraffen, sackte aber vom nächsten Hieb getroffen auf die Knie.
    Sie hörte Frauen und Kinder reden und rufen, hörte Cyras gellendes Zetern, Ingunn solle die Schlampe totschlagen. Eldrid schrie, Ingunn solle aufhören, doch die ließ sich nicht beirren. Zarabeth hörte die keuchenden Atemzüge ihrer Peinigerin. Die Zurufe schienen ihre Raserei nur anzustacheln. Zarabeths Kleid war nun völlig zerfetzt. Wenn sie den Kopf hob, würde Ingunn ihr die Peitsche gnadenlos übers Gesicht ziehen. Mit aller Macht kämpfte sie gegen das Dunkel an, das sie zu umfangen drohte. Dann hörte sie Lotti, ihr ersticktes, gurgelndes Lallen. Jetzt war sie nah bei ihr und Zarabeth schrie auf: »Nein, Ingunn, rühr sie nicht an! Nein!«
    Die Peitschenhiebe hörten auf. Zarabeth hob den Kopf, hielt das zerfetzte Kleid über ihren Brüsten zusammen. Ingunn hatte Lotti gepackt und schüttelte sie grob. Dann hob sie die Peitsche gegen das Kind.
    »Nein! Wenn du das Kind anrührst, bring ich dich um!«
    Ingunn lachte böse. »Sie ist ein Krüppel. Deine Schwester ist eine Mißgeburt, und du bist nichts als eine Sklavin!« Der Arm mit der Peitsche holte aus. Zarabeth rappelte sich taumelnd hoch, stürzte aber gleich darauf vornüber aufs Gesicht.
    »Nein!« schrie sie. Doch ihrer Kehle entrang sich nur ein heiseres Röcheln.

16
    »Bei Thors Wunden! Was machst du da? Ingunn! Hör auf damit, Weib!«
    Magnus konnte nicht glauben, was er sah. Ingunn hielt Lotti am Arm fest und schwang die Peitsche. Sie war im Begriff, das Kind auszupeitschen. Er rief erneut ihren Namen, doch sie schien nicht zu hören. Sie keuchte schwer, ihre Brust hob und senkte sich. Magnus packte ihr Handgelenk und entwand ihr die Peitsche, bevor sie auf Lotti niedersausen konnte.
    Ingunns Gesicht war zur Grimasse verzerrt, ihre Augen glühten schwarz vor Zorn. Ihre Bösartigkeit erschreckte ihn zutiefst. Er schleuderte die Peitsche von sich, packte seine Schwester an den Armen und rüttelte sie. »Bist du von Sinnen? Warum schlägst du ein Kind? Noch dazu mit einer Peitsche! Antworte mir!«
    Ingunn blinzelte, er rüttelte sie wieder, doch bevor sie antworten konnte, hörte er Lottis gurgelnde Laute und wandte sich dem Kind zu. Die Kleine rannte los . . . jetzt erst sah er Zarabeth. Sie lag auf den Knien und hielt ihr zerfetztes Gewand über der Brust zusammen. Das Haar hing ihr wirr und schweißnaß ins Gesicht, aus dem alle Farbe gewichen war.
    Er ließ Ingunn los. Lotti warf ihre Arme um Zarabeths Hals, und Zarabeth zog das Kind mit unendlich langsamen Bewegungen an sich.
    Etwas war ganz und gar nicht in Ordnung. Er trat langsam auf sie zu. Und ein wahnsinniger Schmerz durchfuhr ihn wie ein Dolchstoß. In diesem Moment sackte die Gepeinigte bewußtlos zu Boden, riß Lotti mit sich. Jetzt sah er ihren Rücken, der von dunkelroten Peitschenstriemen überzogen war. An manchen Stellen war die Haut aufgeplatzt, Blut trat aus. Haarsträhnen klebten in der zerschundenen Haut. Die Übelkeit drehte ihm beinahe den Magen um. Doch dann loderte wilder Zorn wie eine Feuersbrunst in ihm hoch.
    Der herangetretenen Eldrid befahl er heiser: »Hol warmes Wasser, rasch! Und Seife und saubere Tücher.« Ohne ein weiteres Wort hob er Zarabeth auf seine Schulter, vorsichtig, um ihren zerschundenen Rücken nicht zu berühren.
    Ingunn kreischte: »Überlaß sie den Sklaven! Sie sollen sie in die Sklavenhütte bringen. Sie ist ein anmaßendes Frauenzimmer, nichts als ein Stück Dreck. Du hast sie doch schon im Bett gehabt. Warum kümmerst du dich noch um sie? Du hast sie als Sklavin und deine Hure zu uns gebracht! In ein paar Stunden ist sie wieder auf den Beinen, und du kannst sie wieder besteigen. Sie taugt nichts, Magnus. Die Schlampe taugt zu gar nichts!«
    Cyra zupfte ihn am Ärmel. »Die Frau hat deine Schwester beschimpft, sie hat sie angeschrien und ihr fürchterliche Schimpfnamen gegeben. Sie hat sich Ingunns Befehlen widersetzt . .

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