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Im Schatten der Mitternachtssonne

Im Schatten der Mitternachtssonne

Titel: Im Schatten der Mitternachtssonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Arbeit verweigert. Was sollte ich tun? Sie denkt, nur weil sie deine Hure ist, kann sie die Hände in den Schoß legen und uns anderen bei der Arbeit zusehen. Glaube ihre Lügengeschichten nicht, Magnus. Du weißt selbst, daß sie eine Lügnerin und eine gemeine Mörderin ist.«
    Er wandte sich langsam um, hielt eine Schale in der Hand. »Gib von dem Wildeintopf hinein, Ingunn.«
    Ingunn fuhr zurück. »Für sie? Für das Dreckstück? Eher stoße ich ihr ein Messer in ihr rabenschwarzes Herz.«
    »Tu, was ich dir sage.«
    »Nein, verdammt, ich will nicht!«
    »Dann bist du nicht länger willkommen in meinem Haus. Ich bin hier der Herr, und niemand widersetzt sich meinen Befehlen.«
    Er haßte es, solche Drohungen auszusprechen, sah aber keinen anderen Weg. Ingunn nahm ihm die Schale aus der Hand und wandte sich steif ab. Er beobachtete sie nachdenklich. Er hatte nie zuvor solche Bösartigkeit, solch tödlichen Haß in ihr gesehen. Doch dann erinnerte er sich. O ja, er hatte sie einmal in einem Anfall von Eifersucht und Neid erlebt, als sie ihre Wut austobte. Damals hatte ein junges Mädchen sich geweigert, ihr einen Armreif zu geben, an dem Ingunn Gefallen gefunden hatte. Sie war eifersüchtig auf Zarabeth, und er, der Narr, hatte Zarabeth sämtliche Waffen weggenommen. Er hatte sie zur Sklavin gemacht. Er hatte sie Ingunns Willkür ausgesetzt.
    Seine Schwester hielt ihm nun schweigend die volle Schale hin.
    Er sagte betont langsam und deutlich, seinen Blick auf ihr Gesicht fixiert: »Wenn du sie noch einmal anfaßt, werde ich dich die Peitsche spüren lassen. Wenn du noch einmal Hand an Lotti legst, werde ich dich noch härter auspeitschen. Hast du mich verstanden?«
    »Bei Thors Hammer, sie lügt! Ich habe ihr nichts angetan, was sie nicht verdient. Frag Cyra! Sie kann bezeugen, was die Schlampe getan hat, frag sie!«
    »Hast du mich verstanden?!«
    »Was kümmert sie dich? Hast du sie nicht schon beschlafen? Wie viele Männer hat sie vor dir gehabt? Sie hat damit geprahlt, wie viele Männer sie in York hatte, und daß sie dich mit einem Lächeln rumkriegen kann. Warum kümmerst du dich immer noch um sie?«
    »Hast du mich verstanden?«
    Da begriff sie, daß ein anderer vor ihr stand. Dieser Mann kümmerte sich nicht um die Wahrheit oder um ihre Gefühle, dieser Mann war offenbar gegen sie eingenommen, er haßte und beschimpfte sie, nur weil die Sklavin sie von ihrem Platz vertrieben hatte. Nein, er war nicht der Mann, der sie verteidigt hatte, als sie ein kleines Mädchen war. Er war ihr fremd geworden. Sie ärgerte sich über ihre Niederlage, und es erforderte all ihre Willenskraft, um die Beherrschung nicht zu verlieren. »Ich habe verstanden.«
    »Gut. Vergiß meine Worte nicht, Ingunn, denn ich werde sie nicht vergessen.« Damit ließ er sie stehen. Er wußte genau, daß jeder im Raum die Geschwister beobachtete und sich seine Gedanken machte.
    Er fütterte Zarabeth, bis sie zu schwach war, noch einen weiteren Bissen zu kauen. Als sie endlich einschlief, hob er Lotti hoch und trug sie in die Kammer der Kinder. Dort legte er sie hin und strich ihr das zarte, rotbraune Haar aus der Stirn.
    »Schlaf gut«, sagte er, beugte sich über sie und küßte ihre Wange. »Ich passe auf deine Schwester auf, das verspreche ich dir.«
    Lächelnd schloß Lotti die Augen. Magnus hob den Kopf und sah seinen Sohn, der am anderen Ende des Bettes kauerte und ein mißmutiges Gesicht machte. Magnus nahm ihn auf den Schoß, obwohl er kein kleines Kind mehr war.
    Er redete leise mit ihm, um die anderen Kinder nicht zu wecken. »Gib Lotti nicht die Schuld, Egill. Sie ist ein kleines Mädchen, und sie liebt ihre Schwester. Würdest du mich nicht beschützen, wenn jemand mich bedroht? Und ich habe den Eindruck, sie mag dich sehr gern. Tu ihr nicht weh, und bedrohe sie nicht, wie deine Tante Ingunn es tut.«
    Der Junge nickte. Magnus hatte keine Ahnung, ob seine Worte in das Herz seines Sohnes gedrungen waren. Er hoffte es.
    Er ging zur schlafenden Zarabeth zurück, legte ein weiches, weißes Tuch auf ihren Rücken, streifte ihr behutsam die Kleider ab und legte sich neben sie. Es dauerte lange, ehe er einschlafen konnte.
    Am nächsten Morgen fütterte er sie, wusch ihr erneut den Rücken und sagte ihr, sie solle ruhig liegen bleiben. Zarabeth blieb stumm. Sie war steif gelegen, ihr Rücken schmerzte, die Muskeln waren verspannt, ihre Haut brannte.
    Magnus wandte sich in der Tür um und studierte ihr bleiches Gesicht. »Mach dir um Lotti

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