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Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kaiser
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in einem vornehmen schwarzen Auto, neben sich eine nicht mehr ganz junge, irgendwie spießig wirkende Frau, da halfen auch die übertrieben großen Ohrringe und Ketten nichts. Auf dem Schoß hielt sie ein Wickelkind. Im Fond thronte die hoheitsvolle Schwiegermutter. Neben ihr langweilte sich ein etwa sechsjähriges Mädchen. So, so, davon hat er mir also auch nichts gesagt, hatte Mariana gedacht. Sie konnte ihm nicht einmal böse sein. Jetzt saß der arme Kerl ganz schön in der Tinte. Sie fühlte so etwas wie wehmütige Schadenfreude.
    München, Frankfurt, Dresden – Marianas Terminkalender platzte aus den Nähten. Manchmal sprang sie nach der Vorstellung in den Schlafwagen und fuhr noch nachts heim. Sogar der mit Bertram Inzell geplante ›Rosenkavalier‹ in Wien kam zustande. Auch die Wiener drückten Mariana ans Herz, sie ließen sich verführen von ihrem schwärmerisch maunzenden Rosenkavalier. Sie waren sehr heikel, jeder Taxifahrer entpuppte sich als Opernfachmann, bei ihnen konnte man sich nicht anbiedern, bei Nicht-Gefallen buhten sie weltberühmteSängergrößen aus. Doch wenn sie einen Sänger erst einmal liebten, trugen sie ihn auf Händen. »Die sind ja noch opernverrückter als die Stuttgarter«, sagte Mariana glücklich zu Bertram nach dem dreißigsten Vorhang.
    Auch die Eltern waren nach Wien gekommen. Sie wollten Österreich kennenlernen und anschließend zu Mariana nach Stuttgart fahren und dort ein wenig bleiben. Auf einem Bummel durch Wien kamen sie mit Mariana zu dem Schluss: In dieser großzügig angelegten, rosendurchdufteten Stadt ließ es sich sicherlich sehr gut leben – zumal als gehätschelte Sängerin.
    Dann holte Bayreuth Mariana auf den Grünen Hügel. Für die Floßhilde und die zweite Norne im ›Ring‹, im nächsten Jahr sollte mehr folgen, so hieß es. Wahrlich keine großen Rollen, aber Mariana empfand es als Ehre, an dieser heiligen Stätte singen zu dürfen. Zudem dachte sie voller Liebe an ihre Floßhilde in Göteborg. Als sie erfuhr, wer die Wellgunde singen sollte, geriet sie ganz aus dem Häuschen vor Freude: Ihre Freundin Erna! Endlich trafen sich ihre Wege wieder.
    Eines Tages brachte der Briefträger zwei Briefe. Einen aus Stockholm: »Intendanz der Stockholmer Oper« stand auf dem Absender. Er enthielt ein fabelhaftes Angebot: Zwei Opern von Mozart und zwei von Strauss. ›Figaro‹ und ›Così‹, ›Rosenkavalier‹ und ›Frau ohne Schatten‹. Jeweils drei Aufführungen. Mariana wusste auf der Stelle, dass sie das Angebot annehmen würde, sie konnte es gar nicht ausschlagen. Sie sah ihre Eltern vor sich, das Haus, die Großeltern, glitzerndes Wasser, den durchsichtig blauen Himmel, sie roch die frische Luft, die vom Meer herwehte. Am liebsten wäre sie auf der Stelle losgefahren. So sehr brannte plötzlich das Heimweh.
    Der andere Brief stammte von einer Agentin. Sie stelle für eine Südamerikatournee ein internationales Sängerensemble zusammen. Schwerpunkt Argentinien. Ob Mariana nicht mitmachen wolle. »Im Teatro Colón in Buenos Aires im ›Troubadour‹die Azucena singen.« Vor Aufregung verschwamm Mariana der Text vor den Augen.
    »Ach, mein liebes Stuttgart, unsere Zeit ist um, bald müssen wir scheiden«, seufzte sie. Mariana hatte auf ein Zeichen gewartet, jetzt war es gekommen.

    »Ich komme wieder, ich komme wieder«, so sagte Mariana allen, als sie Stuttgart schweren Herzens verließ. Doch als der Zug in Stockholm langsam in den Bahnhof einfuhr und sie auf dem Bahnsteig ihre Familie sah, da machte ihr Herz vor Freude einen Satz. Heimat, das war eben doch nur ein einziges Land. Wie vertraut alles war. Was sollte sich daran geändert haben in drei Jahren?
    Und trotzdem rief sie nach ein paar Wochen erneut: »Ich komme wieder, ich komme wieder!« Ein riesiger Ozeandampfer trug sie nach Südamerika. Mariana hatte eine komfortable Einzelkabine und wurde wie eine Königin oder Millionärin verwöhnt. Das hab ich mir alles ersungen, dachte sie stolz. Nicht einmal ihre edlen Koffer durfte sie selbst auspacken. Ein schneeweiß uniformierter Steward verstaute mit flinken Griffen ihre Kleider, Schuhe und Noten in Schränken und Regalen. Zum Schluss hielt er etwas ratlos das Seestück in Händen. Mit einer huldvollen Geste wies ihn Mariana von ihrem Sessel aus an: »Tun Sie das andere Bild bitte herunter und hängen dafür dieses an die Wand.« Noch am gleichen Tag schrieb sie an ihre Eltern: »Dieses Riesenschiff würde Euch auch gefallen. Ich muss ständig an

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