Im Schatten der Vergeltung
Lächeln und senkte eine Sekunde zu spät, als es die Schicklichkeit erlaubte, die Lider, wenn er ihr in die Augen sah.
Als stumme Zuschauerin beobachtete Maureen das Geschehen wie in einem Theater. Die Saat, die sie gestreut hatte, war dabei, aufzugehen. Jetzt galt es, jemand anderes auf das sanfte Sprießen aufmerksam zu machen.
M aureen genoss die Gesellschaft von Robert Burns, auch wenn zu anregenden Gesprächen sich wenig Gelegenheit bot. Tagsüber benötigte Susan beinahe ständig ihre Gegenwart. Es war offensichtlich, wie sehr dem Mädchen eine liebevolle Hand, die sie energisch und gleichzeitig sanft leitete, gefehlt hatte. Es befanden sich ständig Gäste auf dem Anwesen, so dass Burns jeden Abend in Gesellschaft dinierte. Manchmal schlich er nach dem Kaffee für eine oder zwei Stunden in den Garten, wo er und Maureen sich trafen. Diese Treffen verbargen sie jedoch vor den anderen. Robert Burns könnte vom Alter zwar fast Maureens Sohn sein, sie wollte aber niemandem Grund für sinnlose Gerüchte geben. Der junge Dichter fühlte sich von Maureen ernstgenommen.
»Ihr seid die Einzige, Lady Louisa ausgenommen, die über meinen Wunsch, Schriftsteller zu werden, nicht spöttelt«, pflegte Burns ihr regelmäßig zu sagen. »Besonders Sir Murdoch hat nur ein verächtliches Lächeln für meine Passion des Dichtens übrig. Ich glaube, in seinen Augen bin ich weit davon entfernt, ein richtiger Mann zu sein.«
»Gestattet mir die Frage, was Euch dann noch in Murdoch Hall hält?«, wagte Maureen einzuwenden.
Er zuckte mit den Schultern.
»Vielleicht die Gewissheit, ein paar Wochen in Freiheit zu verbringen, bevor ich mich in die Tretmühle einer Arbeit begebe. Außerdem fehlt es mir an Mut und noch mehr an Geld, mich für den Rest des Sommers auf Reisen zu begeben, die süße, liebliche Landschaft des Südens zu erkunden, um dann in das kalte, karge Schottland zurückzukehren.«
Ist es nicht vielmehr die Nähe von Louisa Murdoch?, mutmaßte Maureen, sprach es aber nicht aus. Sie bat ihn, ihr einige Verse vorzutragen, was er bereitwillig und mit glänzenden Augen tat. Zurück in ihrem Zimmer schrieb Maureen sofort die Zeilen, die sich fest in ihr Gedächtnis gegraben hatten, auf. In ihren Augen war Burns einer der begabtesten Dichter, die es zurzeit in England gab. Seine Verse, die von romantischer Liebe und verzehrenden Gefühlen des Herzens sprachen, muteten zwar manchmal etwas kitschig an, würden aber jede verliebte Frau mitten ins Herz treffen. Selbst Maureen ließen sie nicht unberührt, so manches Mal unterdrückte sie eine sentimentale Träne, die sich in ihren Augenwinkel stahl.
Maureen beobachte Louisa genau. Die Schwangerschaft war noch nicht so weit fortgeschritten, um der zarten, mädchenhaften Erscheinung Abbruch zu tun. Seit Louisa die Last, sich um ein verwildertes Mädchen und einen trotzigen Säugling kümmern zu müssen, von den Schultern genommen worden war, blühte die junge Frau sichtlich auf. Oder lag es an der Anwesenheit eines bestimmten jungen Mannes, der keine Gelegenheit verstreichen ließ, ihr anbetungsvolle, ja, beinahe schon schmachtende Blicke zuzuwerfen? Schoss da nicht die eine oder andere Röte in Louisas zarte Wangen, wenn sie still und friedlich im Schatten einer Buche saß und Robert Burns sich ihr scheinbar zufällig näherte?
»Mylady scheint Ihre Anwesenheit sehr zu schätzen«, wagte Maureen Burns gegenüber anzudeuten, worauf er jedoch nur ausweichende, unzureichende Antworten gab. Maureen verglich ihn mit einem Minnesänger des Mittelalters, der die Frau seines Herzens nur aus der Ferne anbeten durfte und darin seine Erfüllung fand.
Bei gutem Wetter ritt Clifford Murdoch beinahe täglich auf die Jagd. Meist umgeben von Freunden und Gästen, nur Burns schloss sich ihnen niemals an. Manchmal blieb Murdoch auch mehrere Tage fort. Maureen beobachtete, wie Louisa aufblühte, wenn ihr Mann das Haus verlassen hatte. Dann klang ihr helles Lachen unbeschwert durch die Räume, und kein gehetzter Blick verdunkelte mehr ihre Augen. Maureens Begegnungen mit dem Hausherrn hielten sich in Grenzen. Da Murdoch seine Tochter Susan fast nicht beachtete, schenkte er lediglich seinem Sohn hin und wieder etwas Aufmerksamkeit. Edmund war noch zu klein, als dass Murdoch ihn hätte auf ein Pferd setzen können. Manchmal nahm er ihn vor sich auf den Sattel und ritt ein paar Runden im Hof. Dabei jauchzte und lachte der Säugling, offenbar machte es ihm Freude. Am liebsten beobachtete Murdoch
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