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Im Schatten der Vergeltung

Im Schatten der Vergeltung

Titel: Im Schatten der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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mochte ihr Leben im Hochland. Bisher hatte sie das enge Tal noch nie verlassen, einzig zum Markt nach Tomintoul durfte sie ihre Eltern manchmal begleiten. Ihr Vater war einer der Kutscher des Lairds, ihre Mutter arbeitete in der Küche und sie selbst machte sich nützlich, wo es gerade notwendig war. Sie reinigte die Kamine, putzte Gemüse und schrubbte die großen, schweren Pfannen und Töpfe. Am liebsten war sie jedoch im Stall und war glücklich, wenn ihr erlaubt wurde, sich um die Pferde zu kümmern. Der Laird war ein strenger, aber gerechter Herr, und erst kürzlich war Maureen bewusst geworden, dass sie und ihre Eltern als Sklaven des Lairds arbeiteten. Sie erhielten zwar einen geringen Lohn für ihre Tätigkeit, der Familie war es aber nicht erlaubt, ohne Erlaubnis des Lairds Beechgrove zu verlassen, um sich woanders Arbeit zu suchen. Warum hätten sie das auch tun sollen? Sie hatten ausreichend zu essen und ein Dach über dem Kopf. Das war mehr als viele andere Schotten hatten, wie ihre Eltern regelmäßig betonten.
    Lady Beechgrove war eine freundliche Frau mit einem weichen Herz. Mit geschultem Blick hatte sie Maureens wachen Verstand erkannt und hatte den Mowats ein großzügiges Angebot gemacht: Wenn Maureen ihren Pflichten im Herrenhaus gewissenhaft nachkam, durfte sie einmal in der Woche zusammen am Unterricht ihrer Töchter teilnehmen. Diese vier Stunden jeden Freitagvormittag wurden für Maureen das Wichtigste in ihrer kleinen Welt. Ihre Eltern konnten lesen und schreiben, was in der Unterschicht keinesfalls üblich war, denn öffentliche Schulen gab es keine. Zumindest nicht für die Schotten. Der junge Reverend, der die drei Mädchen unterrichtete, war ein liebenswürdiger Mann, der es anschaulich verstand, seinen Schülerinnen sein Wissen zu vermitteln. Er hatte mit der Zeit eine besondere Vorliebe für Maureen entwickelt, denn sie sog den Stoff wie ein Schwamm in sich auf, ganz im Gegensatz zu den zwei Beechgrove-Töchtern, für die der Unterricht eine lästige Pflicht war. Maureen war nicht unglücklich, dass eine nähere Bekanntschaft, die über die gemeinsamen Unterrichtsstunden hinausgingen, wegen ihrer unterschiedlichen Herkunft ausgeschlossen war. Obwohl sie fast im selben Alter waren, konnte Maureen nur wenig mit den verwöhnten und wehleidigen Mädchen anfangen, denen Geschichte, Mathematik und sonstige Bildung herzlich gleichgültig waren. Gegenüber Lady Beechgrove empfand Maureen eine tiefe Hochachtung. Die Dame war höflich und zuvorkommend, eine wahre Lady eben. Manchmal lag Maureen des Nachts wach, hörte unter sich das Stampfen der Hufe und dachte sich fantastische Geschichten aus. Eine ihrer liebsten verlief so: Eines Tages stellte sich durch einen Zufall heraus, dass sie in Wahrheit ebenfalls eine Tochter von Lady Beechgrove war. Umgehend zog sie aus der kleinen Kammer in eines der eleganten Zimmer im Herrenhaus, bekam kostbare und schöne Kleider und lebte fortan wie eine kleine Prinzessin ...
    Schlagartig wurde Maureen in die Gegenwart zurückgeschleudert, als sich eine Hand schwer auf ihre Schulter legte. Von ihr unbemerkt hatte Philipp das Zimmer betreten. Missbilligend sah er sie an.
    »Hier steckst du, ich suche dich bereits überall. Kannst du mir bitte erklären, was mit dir los ist? Du hast Frederica erschreckt.«
    Maureen atmete tief ein.
    »Verzeih, Philipp, aber ich kann euch nicht zu dem Fest begleiten.« Auch nach siebzehn Ehejahren gelang es Maureen immer wieder, ihren Mann zu überraschen. Sie sah seinen entgeisterten Blick und fühlte sich äußerst unbehaglich.
    »Was willst du damit sagen? Bist du plötzlich erkrankt?«
    »Ich fühle mich nicht in der Lage, mir das dumme und geistlose Geschwätz der Damen anzuhören.«
    »Maureen, das geht nicht!« Philipp packte sie an den Schultern und schüttelte sie. »Lady Esther verlässt sich auf dich. Du hast versprochen, den Verkaufsstand zu betreuen.«
    Maureen fiel wieder ein, welche Zusage sie der Nachbarin gemacht hatte. Trotzdem konnte sie unmöglich auf das Fest gehen und so tun, als wäre ihre Welt in Ordnung. Nicht, solange sie nicht wusste, was in dem Brief stand.
    »Philipp, ich habe eine Nachricht erhalten ...« Sie stockte, denn sie bemerkte, dass Philipp es wenig interessierte, was sie zu sagen hatte. Leise fuhr sie fort: »Von ... meiner Mutter.«
    Ihre Worte verfehlten nicht ihre Wirkung. Philipps eben noch rosiger Teint wurde blass. Maureen, die den Brief noch immer in der Hand hielt, strich vorsichtig

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