Im Schatten der Vergeltung
Abstammung noch vermögend war, bewirkte bei Philipps Vater einen heftigen Wutausbruch. Er hatte sich sogar dazu hinreißen lassen, Philipp zu ohrfeigen. Als er dann noch erfahren musste, dass er Maureen in Schottland kennengelernt hatte, diesem kargen, dunklen Land, das von barbarischen Wilden und Aufständischen bevölkert war, drohte er, seinen einzigen Sohn auf der Stelle zu enterben. Keiner seiner Nachbarn hatte jemals Schottland besucht, keiner war durch das weite Hochland mit seinen zahlreichen Seen gewandert, hatte die Rudel von Rotwild erblickt, die geruhsam in der untergehenden Sonne äsen. Keiner hatte jemals den absoluten Frieden erlebt, der jeden, der einmal dort war, unweigerlich in seinen Bann zog.
»Ich habe dich damals geliebt.« Maureens Stimme war nicht mehr als ein Wispern. »Ich habe alles für dich getan und mich immer bemüht, die Frau zu sein, die du an deiner Seite wolltest.«
Dass Philipp von seinem Vater nicht enterbt und des Hauses verwiesen worden war, hatte er allein Esther Linnley und deren Einfluss zu verdanken. Die Nachbarin hatte Sir Trenance versprochen, binnen kurzer Zeit aus dem wilden, in ihren Augen unkultivierten Mädchen eine Lady zu machen. Zögernd stimmte er dem Vorschlag zu. Hinzu kam, dass Maureen bei ihrer Ankunft in Cornwall bereits schwanger war und den künftigen Erben von Trenance Cove unter ihrem Herzen trug. Dass sie dann nur einem Mädchen, Frederica, das Leben schenkte, brachte Maureen bei ihrem Schwiegervater nicht gerade Sympathien ein. Das Verhältnis zwischen Sir Trenance, seinem Sohn und Maureen blieb gespannt, und als der alte Herr zwei Jahre später starb, fühlte sich Maureen regelrecht befreit – obwohl sie sich für diesen Gedanken schämte.
Philipp berührte sie leicht an der Wange.
»Wir waren so schrecklich jung ...«
Abrupt wandte Maureen ihm den Rücken zu und starrte aus dem Fenster.
»Bitte, lass mich jetzt allein. Sag Lady Esther, ich sei plötzlich krank geworden. Ich bringe es heute nicht fertig, mich unter die fröhliche Gesellschaft zu mischen und Konversation zu betreiben.«
»Sie wird sehr verärgert sein«, gab Philipp erneut zu bedenken, Maureen antwortete ihm jedoch nicht mehr. Mit einem Seufzer ließ er sie allein. Maureen hatte immer ihren eigenen Kopf gehabt, und genau das hatte ihn damals fasziniert. Er bewunderte ihr Temperament, ihre Art, jeden Tag mit einem Lachen zu beginnen und sich tapfer jeglichen Problemen zu stellen. Während seiner Zeit in Schottland wurden seine Tage in der kargen, zugigen Kaserne allein durch den Gedanken an sie erträglich. Maureen war und blieb Maureen. Im Innern war sie noch immer das abenteuerlustige Mädchen mit den zerzausten Locken aus dem schottischen Hochland. Durch den Brief ihrer Mutter drangen nun Gefühle empor, die sie lange Zeit sorgfältig unter Verschluss gehalten hatte. Philipp hoffte nur, sie würde ihm später mitteilen, was ihre Mutter schrieb. Auf keinen Fall konnte es etwas Gutes sein.
N achdem Philipp gegangen war, hielt Maureen den Brief immer noch unschlüssig in der Hand. Eine unerklärliche Angst hinderte sie, den Umschlag zu öffnen. Erneut tauchte sie in die Vergangenheit ein. Es schien erst gestern gewesen zu sein, als sie sich in Philipp Trenance verliebte. Der junge Offizier, der Maureen in seiner schmucken roten Uniform wie der Märchenprinz aus ihren Träumen erschienen war, stattete dem Laird und seiner Familie einen Besuch ab und logierte zwei Wochen auf Beechgrove. Sie begegneten sich im Pferdestall, und es war Liebe auf den ersten Blick. Als Philipp nur wenige Wochen später bei Maureens Eltern um ihre Hand anhielt, war sie überglücklich. In ihrer jugendlichen Naivität dachte sie keinen Moment an die Standesunterschiede, die sie, eine schottische Magd, und ihn, einen englischen Adligen, voneinander trennten. Ihre Mutter hingegen war schockiert. Sie warf Philipp sofort aus dem Haus und verbot jeden weiteren Kontakt.
»Niemals! Niemals wird meine Tochter einen Engländer heiraten!«, hatte sie fast schon hysterisch geschrien. »Verlasst sofort das Zimmer und wagt Euch niemals wieder in die Nähe meiner Tochter!«
Nie zuvor hatte Maureen ihre sonst eher stille und in sich gekehrte Mutter derart aufgeregt erlebt. Als Philipp nicht sogleich die Kammer verließ, war sie einer Furie gleich auf ihn losgegangen und hatte versucht, ihn ins Gesicht zu schlagen. Maureens Vater war es nur mit größter Mühe gelungen, seine Frau zur Vernunft zu bringen, aber auch
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