Im Schatten der Vergeltung
ihrem Weinglas griff.
Die Männer kehrten, nun wieder in friedvoller Stimmung, zu belanglosen Tagesthemen zurück.
»Wart Ihr eigentlich beim diesjährigen Royal Meeting in Ascot? Ich finde, das Ereignis hat in den letzten drei Jahren mächtig an Eleganz gewonnen ...«
Für Maureen war es unmöglich, dem Gespräch ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Sie wünschte sich das Ende des Abends herbei, um in Ruhe nachdenken zu können. Sie musste allerdings noch zwei Stunden ausharren, bis sie sich, ohne unhöflich zu wirken, verabschieden und in die Stille ihrer Räume im Palast zurückkehren konnte. Monja, die selbstverständlich auf sie gewartet hatte, half Maureen, sich zu entkleiden und servierte ihr eine heiße Tasse Kakao. Endlich allein sank Maureen in die weichen Kissen, ein Lächeln auf den Lippen. Deutlich hatte sie die Ablehnung in Lord Darlingtons Augen erkannt, als Foster davon gesprochen hatte, der König solle der Unabhängigkeit Amerikas zustimmen. Zwar schien die Freundschaft der beiden Männer über Jahre gewachsen, Darlington stand aber in allen Bereichen hinter dem Monarchen. Den ersten Zweifel hatte Foster selbst gesät, jetzt wusste sie, was sie tun konnte, um ihre Vergeltung an dem Politiker vollziehen zu können.
D er Prinz war guter Stimmung. Soeben hatte er Maureen mit Mühe und Not zum ersten Mal beim Schachspiel geschlagen, das jedoch weniger an seiner plötzlich verbesserten Technik als vielmehr an Maureens gedanklicher Abwesenheit lag. Wenn Prinz George sich in solch freudiger Stimmung befand, war der richtige Moment gekommen. Maureen beugte sich so weit über das Spielbrett, dass der Ansatz ihrer Brüste in gerade noch schicklicher Art und Weise direkt unter seiner Nase war.
»Eure Hoheit«, begann sie leise und blickte ihn bittend an. »Darf ich es wagen, Euch um einen großen Gefallen zu bitten?«
George riss seinen Blick von ihrem Dekolleté los. Auch wenn Lady St. Cleer bedeutend älter als er selbst war, handelte es sich bei ihr unbestritten um eine sehr attraktive Frau, und er antwortete enthusiastisch: »Alles, was Ihr wünscht, Mylady! Ich werde Euer gehorsamer Diener sein.«
Tadelnd schüttelte Maureen den Kopf.
»Eure Hoheit, seid vorsichtig mit solchen Versprechungen! Wenn ich mir nun das größte Juwel aus dem Thronschatz wünschen würde?«
Laut lachend hakte der Prinz seine Finger in die Weste und lehnte sich zurück.
»Ich kenne Eure Bescheidenheit, Lady Sybil. So, wie Euer Ton mir gegenüber manchmal zu vergessen scheint, dass ich eines Tages Euer König sein werde, so vergesst Ihr auch, ich könnte Euch jederzeit – vorausgesetzt, ich wäre dazu gewillt – mit Gold und Juwelen überschütten, Euch aber auch des Palastes verweisen.«
Maureen biss sich auf die Unterlippe. Es war kein Tadel in der Stimme des Prinzen gewesen, trotzdem musste sie in Zukunft im Umgang mit ihm respektvoller sein. Charmant lächelnd erwiderte sie: »Ich wünsche weder Gold noch Schmuck, lediglich eine komplette Herrenausstattung, einschließlich einer weißgepuderten Perücke. Wenn möglich, eher schlicht, ohne viel Eleganz. Ich dachte, vielleicht könntet Ihr mir alte, abgelegte Kleider von Euch leihen?«
»Wie bitte?« Prinz Georges Augen weiteten sich. Er runzelte die Stirn, dann hellte sich seine Miene auf. »Ah, ich verstehe! Wo habt Ihr ihn versteckt? Lady Sybil, Lady Sybil, das hätte ich niemals von Euch erwartet!«
Leichtfüßig sprang er auf, und Maureen sah verständnislos, wie er die Schranktüren öffnete und keine Scheu hatte, ihre Kleider zu durchwühlen.
»Was tut Ihr da?« Fassungslos schüttelte Maureen den Kopf und trat zu dem Prinzen. »Auch wenn Ihr mein Regent seid, habt Ihr kein Recht, so einfach meine Sachen zu inspizieren!«, rief sie empört, Prinz George tätschelte ihr aber nur mit einem charmanten Lächeln die Wange.
»Na, sagt schon: Wo ist Euer Liebhaber? Lasst mich doch nicht so lange suchen! Wer ist er und woher kommt er? Warum braucht er Kleidung? Ich hoffe nur, es handelt sich nicht um einen entflohenen Sträfling, den Ihr in meinem Palast versteckt.« Scherzhaft drohte er ihr mit dem Finger, dann kniete er sich hin und sah unter das Bett. Maureen unterdrückte ein Grinsen. Der Prinz war wirklich nicht mehr als ein großer Junge.
»Euer Hoheit, ich wünsche die Kleidung nicht für irgendeinen Mann, sondern für mich selbst.«
»Hä?«
Jetzt ähnelte der Prinz mehr einem Schaf, wenn es donnert, als dem zukünftigen König von England. Gleichmütig
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