Im Schatten der Vergeltung
der ranghöheren Dame.
»Es ist mir eine Ehre, Lady Weston«, antworte sie leise. »Ich tue nichts weiter, als hin und wieder mit dem Prinzen zu speisen und Konversation zu betreiben.«
»Oh, nur nicht so schüchtern, Lady St. Cleer. Kommt, ich möchte Euch den Gästen vorstellen.«
In der nächsten halben Stunde schwirrten an Maureens Ohren unzählige Namen vorbei. Erst ganz am Schluss, ein Glöckchen hatte bereits zum Dinner gerufen, stand sie Willard Foster gegenüber.
»Ich habe mir erlaubt, Sir Foster zu bitten, Euch zu Tisch zu geleiten, da er leider ebenfalls ohne Begleitung ist.«
Er verbeugte sich vor ihr. »Es ist mir eine Ehre, Lady St. Cleer.«
Maureen schluckte trocken, das Herz klopfte in ihrem Hals. Sie legte ihre Hand, deren Zittern sie kaum verbergen konnte, auf den dunkelgrünen Samtärmel Fosters und ließ sich von ihm wortlos in das Speisezimmer an ihren Platz führen. Ihr gegenüber nahmen Lord und Lady Darlington, ein Ehepaar im Alter der Westons, Platz. Nach der Vorspeise, gebackene Austern in Weißwein-Butter-Soße und Kaninchenpastete mit Kapern und Spinat, schleppte sich das Tischgespräch mühsam dahin. Man sprach über das regnerische Wetter und hoffte auf Schnee zu Weihnachten. Der Hauptgang bestand aus gebratenem Kapaun, vom Koch nach dem Garen wieder mit seinem Federkleid versehen und mit Gemüsestreifen dekoriert, und verschiedenen sauer eingelegten Fleischsorten. Der dazu gereichte Wein, würzig und zugleich leicht, stieg Maureen nicht zu Kopf. Was sie allerdings schwindeln ließ, war die unmittelbare Nähe Fosters. Obwohl Abstand zwischen ihnen herrschte, meinte Maureen, die Wärme seines Körpers spüren zu können. Foster war ein maßvoller Esser, nippte nur leicht an seinem Glas und wenn er sich an der Unterhaltung beteiligte, waren seine Worte mit Bedacht gewählt, und er sprach mit ruhiger, wohlklingender Stimme. Maureen kam nicht umhin, ihn forschend von der Seite zu betrachten und sich an ihr eigenes Spiegelbild zu erinnern. Fosters Kopf war wohlgeformt, mit hoher Stirn, gerader Nase und eckigem Kinn. Er trug eine gepuderte und dezent parfümierte Perücke. Hin und wieder richtete er das Wort an Maureen, wobei sie direkt in seine dunkelgrauen Augen blickte. Ihre eigene Augenfarbe war blau mit einem Stich ins Gräuliche, die Augen ihrer Mutter waren grün gewesen. Maureen überlegte, ob Willard Foster wohl ihr Vater sein könnte. Auch wenn er sich in Gesellschaft als angenehmer und höflicher Gentleman präsentierte, war er nicht mehr als ein skrupelloser Verbrecher. Trotzdem empfand Maureen in seiner Gegenwart nicht annähernd das Gefühl des Abscheus, das sie in der Gesellschaft Murdochs empfunden hatte. Die Vorstellung, Foster als ihren leiblichen Vater zu sehen, war ihr keineswegs so unangenehm wie bei dem despotischen Widerling, der jetzt hoffentlich für immer in der Hölle schmorte. Gewiss, Foster war freundlich, fast schon sympathisch, und schnell rief sich Maureen ins Gedächtnis, was Foster Laura angetan hatte und ein Schatten fiel über ihr Gesicht.
»Habe ich etwas gesagt, das Euren Unwillen erregt, Mylady?«, fragte Foster sogleich. »Das täte mir unendlich leid.«
»Nein«, beeilte sich Maureen zu versichern. »Ich musste nur daran denken, wie mein verstorbener Mann einen solch angenehmen Abend genossen hätte.«
Diese Lüge brachte ihr einen mitleidigen Blick von Lady Darlington ein, und Maureen beschloss, ihre Mimik künftig besser unter Kontrolle zu halten.
Während das Dessert serviert wurde – Weinschaumcreme, Chesterkäse und warmes Weißbrot – drehte sich das Gespräch um politische Themen. Foster wandte sich zur anderen Seite und sprach mit einem Lord, dessen Namen Maureen vergessen hatte, als Lady Darlington sich über den Tisch beugte und ihre Hand auf Maureens Unterarm legte.
»Ihr scheint von Sir Foster beeindruckt zu sein, Lady Sybil. Ich darf Euch doch Sybil nennen, nicht wahr?«
Überrascht nickte Maureen. »Er versteht es, Konversation zu betreiben.«
Lady Darlington lächelte, entblößte eine Reihe von lückenhaften Zähnen und zwinkerte Maureen vertraulich zu.
»Ihr müsst zugeben, er verfügt auch über ein ansprechendes Äußeres, auch wenn er einige Jährchen älter ist.« Ein erneutes Zwinkern. »Das ist für eine Dame aber nur von Vorteil.«
Langsam zog Maureen den Arm unter ihrer Hand fort, bemüht, kein Aufsehen zu erregen. In ihr regte sich der Verdacht, dass ihre heutige Einladung von Königin Charlotte arrangiert
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