Im Schatten der Vergeltung
schwöre bei Gott, ich werde Maureen finden und zurückbringen, wenn Frederica wieder gesund wird. Ich schwöre es, bei allem, was mir heilig und lieb ist. Und wenn ich selbst nach Schottland reisen und sie suchen muss!«
Der zu erwartende Skandal war ihm gleichgültig. Er hatte den größten Fehler seines Lebens gemacht, jetzt lag es einzig an ihm, ihn wieder zu korrigieren. Viel zu lange hatte er auf die Meinung der Nachbarn gehört, hatte nach deren Wünsche und Vorstellungen gelebt. Sollten sie doch alle die Wahrheit erfahren und mit dem Finger auf ihn zeigen, es war ihm egal, Hauptsache, Frederica würde wieder unbeschwert und fröhlich sein. Cedric konnte er ihr nicht zurückbringen, ihr aber die Mutter wiedergeben. Frederica würde ihn vielleicht hassen, wenn sie erfuhr, was er ihr angetan hatte, dieses Risiko musste er aber eingehen. Maureen selbst würde ihm natürlich niemals verzeihen oder gar wieder ihre Ehe aufnehmen. Philipp war aber überzeugt, dass sie Frederica nicht im Stich lassen würde.
Den Rücken gebeugt, als wäre er ein alter Mann, verließ Philipp das Zimmer der Tochter und ging in sein Arbeitszimmer. In den nächsten Stunden setzte er ein Dutzend Schreiben auf, um sich an diversen Stellen in England und in Schottland nach Maureen zu erkundigen. Er wollte und konnte es nicht glauben, dass keine Spur von ihr zu finden wäre.
L ord David Linnley zögerte nur den Bruchteil einer Sekunde, dann setzte er so schwungvoll seinen Namen unter den Vertrag, dass er einen schwarzen Tintenklecks hinter dem y hinterließ.
»Auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit, Mister Rutherledge«, sagte er, bestäubte das Dokument mit Puder und wartete, dass die Tinte trocknete.
»Gestattet mir noch eine Frage, Mylord«, bemerkte Stanley Rutherledge mit halbgeschlossenen Augen, um seine Zufriedenheit zu verbergen.
»Bitte, nur zu«, antwortete Linnley. Heute war er in einer solch glücklichen Stimmung und hätte seinem ärgsten Feind alles verziehen. In weniger als einem halben Jahr würde er ein sehr reicher Mann sein!
Rutherledge räusperte sich verlegen.
»Also ... es würde mich persönlich interessieren, warum Ihr Euren gesamten Besitz verpfändet. Warum geht Ihr nicht zu den Banken und beleiht Linnley Park um die Summe, die Ihr gedenkt, in das Geschäft zu investieren? Ein Darlehen dürfte bei einem Mann wie Euch doch kein Problem sein.«
Seit dem Besuch der seltsamen Frau brannte Rutherledge diese Frage auf der Seele. Bis eben hatte er bezweifelt, Linnley würde tatsächlich seinen gesamten Besitz verpfänden, es war aber leichter als erwartet gewesen. Jetzt brauchte er nur noch zu den Banken zu gehen, den Besitz beleihen zu lassen und England dann für immer den Rücken kehren.
Nachdenklich legte Linnley die Fingerspitzen aufeinander. Rutherledge hatte mit seiner Frage nicht Unrecht. Lord Seelwood hatte einen Kredit auf seinen Besitz aufgenommen – allerdings über eine wesentlich geringere Summe. Kein Landadliger verfügte über ein so großes Barvermögen, das nötig war, um erfolgversprechend in die East India Company zu investieren. Rutherledge brauchte allerdings nicht zu erfahren, dass Linnleys Frau alle Geldgeschäfte überwachte, und Esther wäre mit dem Geschäft niemals einverstanden. Nach geltendem Recht lag zwar die gesamte Verfügungsgewalt über das Vermögen bei ihm, dem Ehemann, aber Recht und Tatsachen waren im Hause Linnley von jeher zwei verschiedene Dinge. Esther hätte tausend Gründe gefunden, ihm die Transaktion auszureden, und dem fühlte er sich nicht gewachsen. Linnley hatte weder die Zeit noch die Lust, sich auf endlose Diskussionen mit seiner Frau, der er verbal unterlegen war, einzulassen. Linnley Park gehörte ihm, ihm ganz allein! Es war sein Erbe, und er würde es eines Tages an seinen Sohn weitergeben. Er konnte damit machen, was er wollte. Außerdem gab er den Besitz ja nicht in fremde Hände. Es diente lediglich als Pfand. Rutherledge würde es bei den Banken beleihen, und von diesem Geld Anteile an der Company erwerben. Sobald diese im Wert gestiegen wären – was in den nächsten drei Monaten geschehen würde – erhielt Linnley seinen Anteil in zehnfacher Höhe wieder. Er würde Rutherledge ausbezahlen, der Linnley Park daraufhin wieder auslösen würde. Niemand, auch nicht Esther, würde je davon erfahren, er würde aber reich sein. Das waren aber Überlegungen, die Rutherledge nichts angingen, daher sagte er nur: »Ich habe Euer Wort, dass es auf diesem Weg
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