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Im Schatten der Vergeltung

Im Schatten der Vergeltung

Titel: Im Schatten der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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keine Schwierigkeiten gibt?«
    »Mein Wort als Ehrenmann«, versicherte Rutherledge, ohne mit der Wimper zu zucken, denn er war nie ein Ehrenmann gewesen. »Ich werde noch heute nach London aufbrechen, um alles Notwendige in die Wege zu leiten. Durch Eure hohe Beteiligung wird die Company in der Lage sein, zehn neue Schiffe zu bauen.«
    »Das bedeutet, zehn zusätzliche Ladungen von Genusswaren und edlen Stoffen aus Übersee, die in England reißenden Absatz finden und einen guten Gewinn einbringen werden, nicht wahr?«
    Rutherledge nickte.
    »Das ist noch nicht alles, Mylord. Wie Ihr wisst, hat die East India Company das Recht, Land in Besitz zu nehmen und souveräne Rechte, wie zum Beispiel die Rechtsprechung oder die Aufsicht über die Währungen, auszuüben. Euer großzügiger Beitrag wird helfen, das Vereinigte Königreich von Großbritannien noch größer und mächtiger zu machen, das auch dem König nicht verborgen bleiben wird. Vor Euch liegt eine glanzvolle Zukunft.«
    Linnley straffte die Schultern und hob stolz das Kinn. Endlich konnte auch er zum Wohl seines Landes etwas beisteuern, und würde vielleicht sogar vom König selbst empfangen werden. Darüber wäre Esther mehr als erfreut, und ihm dankbar sein.
    »Und wer weiß, Mylord?«, fuhr Rutherledge fort. »Vielleicht trägt bald ein Landstrich im Südpazifik Euren Namen?«
    Die East India Company beschränkte sich längst nicht mehr auf Handelsfahrten zwischen Asien und Europa und auf die Eroberung fremder Länder. Viele der Schiffe segelten regelmäßig nach Australien. Die engen, stickigen Laderäume waren voll mit Sträflingen, die auf dem neuen Kontinent ein hartes Dasein fristen mussten. Das musste Linnley aber nicht wissen, denn es war ohnehin gleichgültig, welche Waren die Company beförderte. Das Geld des Lords würde nie sein Bestimmungsziel erreichen, sondern Rutherledge einen angenehmen Lebensabend unter südlicher Sonne bescheren. Er hatte nicht vor, jemals wieder nach England zurückzukehren. Seine Spur würde sich im Nirgendwo verlieren, denn Stanley Rutherledge war selbstverständlich nicht sein richtiger Name.
    N achdem Rutherledge sich verabschiedet hatte, wanderte Linnley in Gedanken versunken durch den Rosengarten. Esther war bei Lady Seelwood zum Tee, sein Sohn befand sich immer noch auf Hochzeitsreise. Wenn George mit seiner jungen Frau zurückkehrte, würde es mit der Ruhe im Haus vorbei sein. Einigermaßen gespannt sah Linnley dem Verhalten Esthers gegenüber ihrer Schwiegertochter entgegen. Die junge Pamela machte zwar einen ruhigen und schüchternen Eindruck, würde sie sich aber widerstandslos unter das Zepter seiner Frau begeben? Er lachte bitter. Warum nicht? Schließlich hatte er es sein Leben lang auch getan. In seinem Kopf entstanden Bilder von den Veränderungen, die er vornehmen würde, wenn er erst reich wäre. Natürlich musste zuerst das Dach repariert werden. Im Ballsaal war ein neuer Fußboden von Nöten, und die Kamine wollte er mit Delfter Porzellan einfassen lassen. Ein Stadthaus in London wäre auch nicht zu verachten, besonders, wenn sie künftig am Hof verkehren würden. Vielleicht sollte er auch versuchen, auf dem zweihundert Hektar großen Besitz nach Zinn oder Kupfer graben zu lassen? In Cornwall entstanden immer mehr Minen, die den Besitzern Reichtum und Ansehen brachten. Der Anblick einer Minenanlage erfreute zwar nicht das Auge, gab aber vielen Menschen Lohn und Brot. Linnley dachte an die große Botallack Mine im Westen Cornwalls, die vor fünfzig Jahren eröffnet worden war. Die Maschinenhäuser balancierten auf schmalen Klippenvorsprüngen, und der Boscawen-Schacht führte eine halbe Meile unter das Meer. Linnley hielt es für eine gute Idee, eine ähnliche Anlage in der kleinen Bucht auf seinem Besitz zu erstellen, sofern Proben ergeben würden, dass auch hier die wertvollen Metalle im Erz zu finden waren. Seine Wangen glühten vor Begeisterung über seine Pläne. Gleich morgen würde er nach einem Mineningenieur aus dem Westen schicken. Vielleicht könnte man mit den ersten Grabungen schon nächsten Monat beginnen? In Linnleys Fantasie sah er seinen Sohn George heimkehren, und er würde ihn überraschen, dass Linnley Park nicht länger nur ein landwirtschaftliches Anwesen, sondern nun auch ein florierender Industriebetrieb war. Die Gedanken an Esther verdrängte Linnley. Sein Name stand unter den Verträgen, auf seinen Namen würden die beträchtlichen Gewinnausschüttungen der East India Company

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