Im Schatten der Vergeltung
Schlachten miterlebt hätten wie ich, Sir Philipp, würden Sie anders darüber urteilen. Als Sie in Schottland stationiert waren, waren die Kampfhandlungen lange vorbei und Sie durften sich um Verwaltungsangelegenheiten kümmern. Culloden allerdings ...« Er brach ab und drehte den Kopf zur Seite.
»Sie waren in Culloden dabei, Mylord?«, fragte Philipp erstaunt und beinahe schon ehrfurchtsvoll. »Sie haben mitgeholfen, die Jakobitenaufstände niederzuschlagen und den Thronräuber aus dem Land zu scheuchen?« Nie zuvor hatte Linnley auch nur eine kleine Andeutung gemacht, dass er in der Armee gedient hatte. Philipp war immer davon ausgegangen, Lord David habe sein ganzes Leben in Linnley Park verbracht. »In welchem Fort waren Sie stationiert? Und haben Sie den Herzog von Cumberland persönlich kennengelernt?«, erkundigte er sich interessiert.
David Linnley schritt bedächtig auf und ab, blieb dann vor Philipp stehen und beugte sich so tief zu ihm hinab, bis nur noch eine Handbreit ihre Gesichter trennte.
»Ich sage Ihnen eines, junger Freund: Das, was ich in Schottland erlebt habe, war das Widerwärtigste, das ich in meinem ganzen Leben sehen und erdulden musste. Ich war jung, nicht einmal achtzehn Jahre alt, und folgte dem Willen meines Vaters. Deswegen trat ich in die Armee ein. Ich weiß, es klingt grausam, aber als mein Vater vier Monate nach der blutigen Schlacht im Culloden Moor starb und ich gezwungen war, meinen Abschied zu nehmen und nach Cornwall zurückzukehren, um den Besitz zu übernehmen, dankte ich Gott auf den Knien dafür.«
»Lord David!«
Er winkte ab und seine Mundwinkel zogen sich nach unten.
»Sehen Sie mich nicht so entsetzt an, Philipp. Natürlich trauerte ich um meinen Vater, das Glücksgefühl, niemals wieder nach Schottland zurückgehen zu müssen, überdeckte jedoch alle anderen Empfindungen. Glauben Sie mir, wenn Sie nur einen Bruchteil von dem, was ich gesehen habe, erblickt hätten, würden Sie verstehen, dass meine Hand niemals wieder eine Waffe führen kann.«
»Erzählen Sie mir davon«, forderte Philipp David Linnley auf, er schüttelte aber den Kopf und sah aus dem Fenster in den Park, wo Lady Esther und Maureen mit dem Flechten von Blütenkränzen beschäftigt waren.
»Wir sollten die Damen nicht länger warten lassen«, sagte er leise, wandte sich zur Tür und ging langsamen Schrittes, als wäre er ein alter Mann, hinaus.
Dieses Gespräch lag einige Jahre zurück. Seitdem hatte David Linnley nie wieder über seine Zeit in der Armee gesprochen, obwohl Philipp mehrmals versucht hatte, den Nachbarn aus der Reserve zu locken. Dieser schwieg aber beharrlich, wenn das Thema auf die vergangenen Ereignisse oder den Krieg im Allgemeinen kam. Es schien, als bereute Linnley seine Redseligkeit, denn er zog sich mehr denn je von anderen Menschen zurück. Maureen gegenüber erwähnte Philipp nichts, dass Linnley einst in Schottland stationiert war. Womöglich käme sie noch auf die Idee, mit Linnley über das Land zu plaudern. Philipp wagte es gar nicht, sich vorzustellen, wie Lady Esther darauf reagieren würde.
E rregt zerrten Maureens Finger so lange an dem bestickten Taschentuch in ihren Händen, bis der duftige Batist einriss.
»Philipp, kannst du nicht verstehen, dass ich meinen Vater noch einmal sehen möchte?«
»Warum, Maureen? Warum willst du Wunden, die längst verheilt sind, wieder aufreißen? Du bist diesen Menschen nichts schuldig, sie haben dich vor langer Zeit verstoßen.«
»Es sind meine Eltern. Das werden sie immer bleiben.«
Maureens Worte ließen Philipp nicht unberührt. Er trat hinter ihren Stuhl und legte eine Hand auf ihre Schulter.
»Waren sie denn jemals wirkliche Eltern für dich? Haben sie dir die gleiche Liebe gezeigt, die wir Frederica entgegenbringen?«
Stumm schüttelte Maureen den Kopf. Unmittelbar nachdem Philipp aus Linnley Park zurückgekehrt war, hatte sie ihm den Brief gezeigt und den Wunsch geäußert, so schnell wie möglich nach Schottland zu reisen. Während er die wenigen Zeilen las, hatte sie die Missbilligung in seinem Gesicht erkannt und die stumme Frage, warum sie zu diesen Menschen zurückkehren wollte. Wozu Erinnerungen heraufbeschwören, die man besser begrub?
»Ich könnte es mir niemals verzeihen, Vater seinen letzten Wunsch nicht erfüllt zu haben«, sagte Maureen leise, aber bestimmt.
Philipps Finger trommelten auf der Stuhllehne, ein Zeichen seiner Ungeduld.
»Wir wissen nicht, wie lange der Brief unterwegs war. Für
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