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Im Schatten der Vergeltung

Im Schatten der Vergeltung

Titel: Im Schatten der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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Luft. Wie leicht ihm diese Lüge über die Lippen gekommen war!
    ,Erspar uns dein Gewäsch! Du und deine Familie seid unsere Gefangenen. Wir werden euch umgehend nach Fort William bringen. Die Burg und das Land sind im Namen von König George hiermit konfisziert. Du kannst dich glücklich schätzen, dass wir dich nicht auf der Stelle hinrichten, du verräterischer Schotte!’
    Vater lachte spöttisch auf.
    ,Glücklich? Vielleicht ziehe ich einen raschen Tod den berüchtigten englischen Gefängnissen vor?’
    ,Mach dir keine Sorgen, McCorkindale, dein Kopf wird noch früh genug rollen! Aber vorerst will der Herzog von Cumberland die Clanoberhäupter lebend.’
    Der Offizier kam langsam näher, bis sich die Spitze des auf den Gewehrlauf aufgesetzten Bajonetts in McCorkindales Wams drückte.
    In dem Moment trat Mutter entschlossen einen Schritt nach vorn und sagte: ,Vielleicht möchten die Herren ein Bier trinken? Sie haben einen weiten Ritt hinter sich und sind bestimmt durstig.’
    Der Offizier lächelte kalt und hielt die Waffe weiterhin auf Vaters Brust gerichtet. Ich dachte, die gespannte Situation keine Sekunde länger ertragen zu können. Am liebsten hätte ich laut geschrien. Als hätte Mutter meine Gefühle erraten, legte sie ihre kühle Hand auf meinen Arm.
    ,Geh in die Küche und hol Bier’, raunte sie mir zu, dann sagte sie zu den Männern gewandt: ,Sie gestatten, dass unsere Tochter das Getränk holt? Sie trägt keine Waffen bei sich, und wir haben in der Küche bestimmt keine Armee versteckt, um im nächsten Moment über Sie herzufallen.’
    Der Offizier zog erstaunt eine Augenbraue in die Höhe. Er war von dem selbstbewussten Auftreten meiner Mutter offensichtlich beeindruckt.
    ,Keine Tricks, McCorkindale! Dein Haus ist von vierzig Männern umstellt, und alle haben den Befehl, bei einem Fluchtversuch deiner Leute auf keinen Fall Gefangene zu machen.’
    Ausdruckslos deutete Vater auf die Stühle. ,Ich bin mir meiner Situation durchaus bewusst. Außer meinem Weib, meiner Tochter und mir befinden sich nur noch drei weitere Personen in der Burg. Alle anderen sind geflohen, als der erste rote Rock bei Kilmelford gesichtet wurde. Wie Sie unschwer erkennen können, bin ich selbst verletzt. Ich werde also niemanden angreifen können, auch wenn ich zugeben muss, ich würde am liebsten einem nach dem anderen von Ihnen den Hals umdrehen. Da ich dieses Vorhaben aber auf Grund der äußeren Umstände auf unbestimmte Zeit verschieben muss, können wir ruhig ein Bier zusammen trinken. Oder wäre Ihnen Whisky lieber?’
    Mit wachsamem Blick ließ sich der Anführer auf einer Bank nieder und bedeutete seinen Männern, ebenfalls Platz zu nehmen. Ich eilte in die Küche, beeilte mich, einen Krug Bier und Becher zu holen und kehrte in die Halle zurück. Beim Eintreten sah der Anführer mich an, und ich glaubte, eiskalte Dolche würden mich durchbohren. Seine Nerven waren offenbar bis zum Zerreißen gespannt. Er traute meinem Vater nicht.
    ,Du bist ein seltsamer Kauz, McCorkindale. Schade, dass du auf der falschen Seite stehst!’
    McCorkindale lachte. ,Ich sagte bereits, ich fühle mich dem Clan der Campbells zugehörig. Leider war es mir wegen der Verletzung noch nicht möglich, meinen Treueschwur zu erneuern. Noch heute wollte ich es nachholen, darauf könnt ihr Gift nehmen.’
    Während des Wortwechsels hatte ich das dunkle Bier in die Becher geschenkt. Als das Wort Gift fiel, sah ich, wie der junge Offizier zusammenzuckte und misstrauisch in seinen Becher starrte. Ich konnte in seinem Gesicht lesen, dass ihm die Aussicht auf ein kühles Bier plötzlich nicht mehr so verlockend erschien, und ich bedauerte es, nicht wirklich Gift in das Getränk gemischt zu haben.
    ,Die Verletzung hast du dir nicht zufällig im Culloden Moor zugezogen?’, wandte sich nun der zweite Mann spöttisch an meinen Vater.
    McCorkindale ging darauf gar nicht ein. Vom ersten Augenblick an hatte er den ältesten und größten der Offiziere als Anführer erkannt. Er wusste: Es galt, diesem Mann seine vermeintliche Unschuld zu beweisen. Er beugte sich über den Tisch und sah ihm fest in die Augen.
    ‚Was kann Sie zu der Einsicht bringen, dass ich kein Jakobit bin?’
    Der Mann lehnte sich zurück, streckte die langen Beine aus und schlug die Füße übereinander. Das feuchte Leder der Stiefel verursachte ein schmatzendes Geräusch.
    ,Ich habe meine Befehle. Ein gewisser Archibald McCorkindale steht auf der Liste der Verräter als Anführer eines

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