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Im Schatten der Vergeltung

Im Schatten der Vergeltung

Titel: Im Schatten der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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dann …«, begann Laura wieder zu sprechen, aber Maureen rief: »Sei still! Ich will nichts mehr hören.«
    »Nein, Maureen!« Philipps Stimme war leise, aber fest. Er legte eine Hand Maureen Schulter. Sie war eiskalt, dass konnte sie durch den Stoff ihres Kleides hindurch spüren. »Du wolltest die Wahrheit wissen, und nun musst du sie dir bis zum Ende anhören.« Er sah zu Laura. »Sie haben dich vergewaltigt?«
    »Alle drei. Zuerst der Anführer, dann die beiden anderen. Und danach ging es wieder von vorn los. Als die Nacht vorüber war, dachte ich, ich wäre tot. Ich spürte meinen Körper nicht mehr, ich empfand weder Schmerzen noch Kälte, dann aber hörte ich mein Herz klopfen, also lebte ich. Und ich wollte leben! Leben, um mich zu rächen. Der Gedanke an Rache bohrte sich in meine Seele und half, die folgenden Tage zu überstehen. Zwar wusste ich nicht, was ich überhaupt würde tun können, denn die Schweine hatten Bothy Castle unmittelbar nachdem sie mir das angetan hatten, verlassen. Zuerst wollte ich meinen Vater töten. Ja, Maureen, du hast richtig gehört: Ich wollte ihn umbringen! Wahrscheinlich ahnte er, was ich plante, denn er ging mir aus dem Weg. Nachts schloss er sich in seinem Zimmer ein. Wir sprachen kein einziges Wort miteinander. Meine Mutter unternahm einen halbherzigen Versuch, mir Trost zu spenden, aber sie wusste genauso gut wie ich, dass es keinen Trost gab. Ihre zugeschwollenen Augen, die aufgeschlagene Oberlippe und die Blutergüsse am Körper zeigten, dass McCorkindale jeden Versuch ihrerseits, mir zu helfen, brutal unterbunden hatte. Das Einzige, das mich in den nächsten Wochen vor dem Wahnsinn bewahrte, war der Gedanke an Vergeltung. Dann musste ich zu meinem unsäglichen Entsetzen feststellen, dass ich ein Kind erwartete. Einen Bastard!«
    »Nein!« Der Schrei hallte durch den Raum. »Sei still, Mutter, ich bitte dich, sei endlich still!« Maureen sprang auf und zitterte am ganzen Körper, Laura sah ihr jedoch ruhig und gefasst in die Augen.
    »Warum sollte ich jetzt noch schweigen? Du weißt, was jetzt kommt, nicht wahr? Du bist in dieser Nacht gezeugt worden! Und jeder der drei kann dein Vater sein! Jeder von ihnen! Du bist der Bastard eines englischen Vergewaltigers ...«
    Maureen presste die Hände auf die Ohren und lief zum Fenster. Stumm blickte sie in die Nacht hinaus.
    »Wie ging es weiter?«, unterbrach Philipp schließlich die Stille.
    »Die Erkenntnis, schwanger zu sein, war mehr, als ich ertragen konnte. Nachdem ich erkannt habe, dass ich die Männer niemals zur Verantwortung würde ziehen können, hatte ich versucht, die Nacht aus meinem Gedächtnis zu verbannen. Durch das Kind in meinem Leib wurde alles wieder lebendig. Tag für Tag, Stunde für Stunde durchlebte ich es noch einmal. Als mein Vater von der Schwangerschaft erfuhr, verhöhnte er mich. Ja, er lachte mich aus! Meine Mutter bedauerte mich zwar, war aber nicht gewillt, mir zu helfen, das Balg loszuwerden. Dabei wusste ich, dass das möglich war. Es gab Kräuter und Tränke ...«
    Ein plötzlicher Hustenanfall zwang Laura, abzubrechen. Maureen, die noch immer wie erstarrt am Fenster stand, wünschte sich, Philipp würde sie jetzt in seine Arme nehmen, sie wie ein kleines Kind hin und her wiegen, so wie er es immer bei Frederica tat, wenn sie Kummer hatte. Philipp zeigte jedoch keine Regung und schien Maureen nicht länger wahrzunehmen.
    »Ich habe genug gehört. Ich ...«, er räusperte sich, »ich muss jetzt allein sein, um in Ruhe über alles nachdenken zu können.«
    Keine der beiden Frauen versuchte, ihn zurückzuhalten, als er das Zimmer ließ.
    »Aber schließlich hast du mich zur Welt gebracht«, sagte Maureen nach einer Weile zu Laura. Ihre Stimme klang rau. Sie schluckte mehrmals, um den bitteren Geschmack auf ihrer Zunge loszuwerden – ohne Erfolg.
    »Ja, aber ich wusste, dass ich dich niemals würde lieben können. Zwei- oder dreimal versuchte ich, dich mit einem Sud aus Wermut, Weinraute und Pfefferkörnern in Weißwein gekocht, abzutreiben. Das Rezept hatte mir eine vorbeiziehende Bauersfrau gegeben, du wolltest aber nicht verschwinden. Hast dich regelrecht in meinem Bauch festgeklammert. Schließlich sah ich keinen Ausweg mehr und ging ins Wasser. Tja, das Schicksal wollte es, dass in diesem Moment der Stallbursche John Mowat vorbeikam. Er zog mich in letzter Minute aus dem Loch Melfort. Der Rest ist kurz erzählt: John hatte mich schon monatelang heimlich beobachtet und sich in mich

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