Im Schatten der Vergeltung
über ihren Hals hinab zu ihren Brüsten. Wohlig drehte Maureen sich auf den Bauch, sein Mund folgte der Bewegung und huschte wie Schmetterlingsflügel über ihr Rückgrat. Maureen genoss seine Liebkosungen. Jetzt spielte seine Zunge mit den Muttermalen auf ihrer rechten Schulter. Als Alan das Mal bemerkt hatte, hatte er überrascht gesagt: »Wie der große Wagen. Die Anordnung sieht genau wie das Sternbild aus.« Vorher hatte Maureen nie auf die Male auf ihrem Rücken geachtet. Sie selbst konnte sie auch nur sehen, wenn sie sich vor dem Spiegel verrenkte. »Ich habe noch nie einen Menschen mit einem solch prägnanten Muttermal gesehen.«
Maureen lachte. »Nur gut, dass wir nicht mehr im Mittelalter leben. Vielleicht wäre ich mit einer solchen Auffälligkeit als Hexe verbrannt worden?«
Er stimmte in ihr Lachen ein.
»Bestimmt! Außerdem hast du ohnehin die Gabe, Menschen zu verhexen. Mich zum Beispiel! Ich sollte mir wirklich überlegen, ob ich deinetwegen nicht geistlichen Rat einholen sollte.«
Maureen wusste, dass er die Worte nicht ernst meinte, trotzdem war ihre gelöste Stimmung mit einem Schlag verflogen. In den wenigen Wochen ihrer Beziehung hatte Alan sich verändert. Zwei- bis dreimal in der Woche kam er in das Haus am Charlotte Square und verbrachte die Nacht mit Maureen. Sie war nur einmal in seiner Wohnung in der Altstadt gewesen, denn jeder, der in dem Haus ein- und ausging, wurde von einer Nachbarin neugierig beäugt. In der New Town jedoch hatten die meisten Familien Edinburgh über den Winter verlassen, die eleganten Häuser am Charlotte Square standen leer. So kümmerte sich niemand darum, wenn Alan regelmäßig bei zwei alleinstehenden Frauen ein- und ausging und das Haus oft erst im Morgengrauen verließ. Selbst wenn Maureen dumme Bemerkungen zu Ohren gekommen wäre, hätten diese sie nicht gekümmert, denn sie wollte auf Alan nicht mehr verzichten. Sie mochte und schätzte ihn, bewunderte sein Wissen und seine Stärke und die herablassende Arroganz, mit der er die ganze Welt zu betrachten schien. Maureen dachte nie darüber nach, ob sie in Alan verliebt war, denn Liebe war ein Thema, das sie aus ihren Gefühlen gestrichen hatte. Nur wer liebte, konnte verletzt werden. Sie hatte festgestellt, dass sie ihre Mutter liebte, und musste hilflos ihr langsames Sterben beobachten, ohne etwas tun zu können. Weil sie glaubte, Philipp zu lieben, hatte sie ihre Heimat und ihre Familie aufgeben und war ihm in eine ungewisse Zukunft gefolgt, die beinahe ihre Persönlichkeit verändert hätte. Frederica hatte sie mehr als ihr eigenes Leben geliebt, sie würde die Tochter aber niemals wiedersehen und in ihre Arme schließen können …Nein! Keine Gefühle mehr! Nie wieder eine Bindung an einen anderen Menschen, denn sie wollte niemals wieder verletzt werden.
»Grüß deine Mutter. Ich hoffe, sie kann heute etwas Ruhe finden«, unterbrach Alan ihre Gedanken und hauchte einen letzten Kuss auf ihre Pobacke.
Maureen nickte, dann fiel die Tür hinter ihm ins Schloss. Sie versuchte, wieder einzuschlafen und vielleicht nochmal vom Meer zu träumen, aber sie fand keine Ruhe mehr. Darum stand sie auf, zog sich an und ging in die Küche hinunter. Aus der hinteren Kammer holte sie eine Flasche Milch, entzündete das Feuer im Ofen und bereitete sich einen Kakao, da sie Jenny erst in einer Stunde erwartete. Wenn Lady Esther sie jetzt sehen könnte: in groben, grauen Strümpfen, um die Schultern ein dicker Wollschal, die Hände schmutzig vom Ruß des Ofens – die feine Lady würde auf der Stelle in Ohnmacht fallen! Ein feiner Stich fuhr in ihr Herz. Sofort verbot sie sich, an die Vergangenheit zu denken. Sie konnte an den Tatsachen, dass ihr eigener Ehemann sie aus seinem und Fredericas Leben gestrichen hatte, nichts ändern. Philipp gegenüber empfand sie nicht einmal mehr Zorn. Sie hatte diesen Mann aus ihren Empfindungen gestrichen. Sie empfand auch keinerlei Skrupel wegen ihrer Liaison mit Alan McLaud, denn der Schotte war ein guter Liebhaber. Zwar hatte Maureen nur eine Vergleichsmöglichkeit, aber sie hatte festgestellt, wie viele verschiedene Spielarten der körperlichen Liebe es gab. Außerdem verfügte Alan über zahlreiche Kontakte zu einflussreichen Personen und ein umfangreiches Wissen, auch stand er intelligenten und lernbegierigen Frauen aufgeschlossen gegenüber. Er mochte es, mit Maureen über Politik und Aktienkurse zu diskutieren, Themen, die für die meisten Männer im Gespräch mit einer Frau tabu
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