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Im Schatten der Vergeltung

Im Schatten der Vergeltung

Titel: Im Schatten der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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hätte auf meine Mutter hören sollen, denn sie sagte seit Jahren, dass du kein Deut besser als dein Vater und einer Trenance nicht ebenbürtig bist.«
    »Was willst du damit andeuten?«
    Frederica merkte, wie die harten Worte den Schmerz, der sich langsam von ihrem Herzen aus durch den ganzen Körper ausbreitete, erträglicher werden ließ.
    »Lady Esther hinten und Lady Esther vorne! Ihr männlichen Linnleys habt alle keine eigene Meinung und kein Rückgrat. Deine Mutter pfeift, und du gehorchst. Hast du in deinem Leben jemals eine eigenständige Entscheidung getroffen? Wahrscheinlich nicht, ebenso wenig wie dein Vater es jemals getan hat. Jetzt heiratest du sogar die Frau, die deine Mutter für dich ausgesucht hat.«
    »So ... darfst du nicht sprechen ... Frederica ...« Hilflos hob er die Hände. »Mutter ist eine herzensgute Frau, die stets das Wohl der Familie im Sinn hat.«
    »Bla ...bla ... bla ...«
    Frederica wusste, dass ihr Verhalten kindisch war, es war aber der einzige Weg, ihrer Enttäuschung Luft zu machen. Abrupt wandte sie sich um und rannte den schmalen Weg zu den Gärten von Trenance hinauf. Sie musste jetzt allein sein. Allein mit ihrer Trauer um die Mutter und allein mit dem Gefühl, von dem Mann, dem sie bedingungslos ihr junges Herz geschenkt hatte, verraten worden zu sein. Oben angekommen warf sie einen Blick zurück. George stand noch immer wie ein begossener Pudel am Strand, sein Gesichtsausdruck war jedoch frei von jeglicher Schuld. Bei seinem Anblick zog sich ihr junges Herz zusammen. Mein Gott, sie liebte ihn immer noch! Sie wischte die Tränen nicht fort, denn nun konnte sie sich nicht länger beherrschen. In einem Augenblick waren alle ihre Träume und Hoffnungen zerstört worden.
    Vor dem Haus stand die Kutsche der Linnleys. Verflixt, dachte Frederica, George hat mir nicht gesagt, dass seine Eltern ihn begleitetet hatten. Sie war davon ausgegangen, dass er alleine gekommen war. Auf Zehenspitzen trat sie in die Halle und schloss leise die Tür hinter sich. Vielleicht würde man sie nicht bemerken, und sie könnte ungesehen in ihr Zimmer schlüpfen. Durch die geöffnete Salontür hörte sie Lady Esthers laute Stimme, die ihren Vater in allen Einzelheiten über den Ablauf der bevorstehenden Hochzeit unterrichtete. Es war ein sinnloser Versuch von Frederica, unbemerkt durch die Halle zur Treppe zu huschen. Sie hatte gerade einen Fuß auf die unterste Stufe gesetzt, als sie Lady Esther auch schon rufen hörte: »Frederica, da bist du ja. Wir haben dich schon vermisst.«
    Frederica nahm ihre ganze Kraft zusammen, zwang sich zu einem Lächeln und trat in den Salon. Lord Linnley saß in einem Sessel am Fenster und blätterte lustlos in einer Zeitung, während ihr Vater vor dem Kamin stand und seine Finger sichtlich nervös mit der Uhrkette an seiner Weste spielten. Lady Esther musterte Frederica wie ein Adler seine Beute.
    »Du hast geweint«, stellte sie schonungslos fest. »Armes Kind, trauerst noch immer um deine Mutter.« Zu Fredericas grenzenlosem Erstaunen sah sie, wie über Esther Linnleys Wangen zwei Tränen rollten. »Ich kann ja so gut nachvollziehen, wie sehr dir deine Mutter fehlt. Wir alle vermissen Maureen, nicht wahr, David?«
    Für den Moment war Frederica froh, dass Lady Esther ihre geröteten Augen dem Schmerz über den Verlust der Mutter zuschrieb. Nie durfte sie erfahren, wie sehr sie von George verletzt worden war. Frederica straffte die Schultern.
    »Ich war am Strand und musste daran denken, dass Mama diesen wunderschönen Frühlingstag nicht mehr genießen kann.«
    Aus dem Augenwinkel sah sie, wie ihr Vater unbehaglich von einem Fuß auf den anderen trat. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, was ihr Vater bei Maureens Tod empfunden hatte. Er war noch nie ein sentimentaler Mensch gewesen, seit der schrecklichen Nachricht hatte Frederica aber nie die verzweifelte Trauer, die sie selbst empfand, bei ihm bemerkt. Wenn die Sprache auf Maureen kam, so hatte sie oft das Gefühl, ihr Vater wäre über ihren Tod mehr wütend, als traurig, aber jeder trauerte auf seine Art und Weise.
    »Ich habe deinen Vater gerade über die bevorstehende Hochzeit unseres Sohnes informiert. George ist zum Strand gegangen, um es dir persönlich mitzuteilen. Hast du mit ihm gesprochen?«
    Bildete es sich Frederica ein, oder lag Lady Esthers Blick lauernd auf ihr? Wartete sie darauf, sie würde von ihren Gefühlen etwas verraten? Da kannst du lange warten, du alte Schachtel, dachte sie, antwortete

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