Im Schatten der Vergeltung
Alte ihre Gedankengänge.
Maureen nickte. Sie wollte verschweigen, dass sie Lauras Tochter und somit seine Enkelin war. Zuerst wollte sie sich in der Burg umsehen und prüfen ob sie das, was sie suchte, auch hier finden würde. Mit jeder Minute, die sie in seiner zweifelhaften Gesellschaft verbrachte, wuchs in Maureen die Überzeugung, ihre wahre Identität im Dunkeln zu lassen. Womöglich würde McCorkindale an ihr Pflichtgefühl als Verwandte appellieren, und sie bitten in der muffigen Burg zu bleiben, um den Alten zu pflegen. Bei dieser Vorstellung zog sie unwillkürlich die Schultern zusammen und schüttelte sich. Sie hatte hier eine Mission zu erfüllen, die sie so schnell wie möglich erledigen wollte. Mehr nicht. Maureen sammelte ihre Gedanken und konzentrierte sich wieder auf das Gespräch.
»Laura Mowat zog kurz nach dem Tod ihres Mannes in das Nachbarhaus.«
Maureen merkte, wie der trübe Blick des Alten lauernd auf ihr lag. »Hat sie von mir, ihrem Vater gesprochen? Was hat sie Ihnen über ihr Zuhause erzählt?«
Die Wahrheit! Die ganze schreckliche und ekelhafte Wahrheit, und du bist nicht besser als ein skrupelloser Sklavenhändler, hätte Maureen am liebsten gerufen und McCorkindale ihre ganze Verachtung spüren lassen. Sie musste sich aber beherrschen, denn so würde sie nie in den Besitz des Dokuments gelangen, darum zuckte sie nur lapidar mit den Schultern.
»Nicht viel, nur, dass sie vor vielen Jahren ihre Heimat am Loch Melfort verlassen hatte und es ihr Wunsch wäre, hier bestattet zu werden. Sie wusste, wie krank sie war.«
Mit einem Blick, der Maureen an eine Katze kurz vor dem Sprung erinnerte, mischte Ellie sich ein: »Sie haben diese Aufgabe völlig selbstlos auf sich genommen? Das erscheint mir recht seltsam. Edinburgh liegt schließlich nicht hinter dem nächsten Hügel.«
Maureen, die mit einer solchen Frage gerechnet hatte, lehnte sich entspannt zurück. Es überraschte sie nicht, von McCorkindale mit Skepsis empfangen zu werden.
»Ich habe kürzlich meinen Mann verloren«, antwortete sie ruhig. »In der Stadt wurde ich immer an ihn erinnert. Die Reise lenkt mich von meiner Trauer ab, außerdem sind Laura und ich so etwas wie Freundinnen geworden.«
Ellie schnaubte. »Sie reden, als wären Sie eben nur mal so zu einer Landpartie mit Picknick aufgebrochen.« Mit einem Satz stand sie vor Maureen und bohrte ihren dicken Zeigefinger in ihre Rippen. »Raus damit: Was steckt wirklich dahinter? Woher haben Sie das Geld für eine solche Reise? Wenn Sie erwarten, dass Archie Ihnen dafür ...«
»Halt den Mund, Ellie«, wies McCorkindale sie zurecht.
Maureen schluckte. Diese Person wusste sich zwar nicht zu benehmen, verfügte jedoch über eine gute Menschenkenntnis. Sie musterte Ellie hochmütig von oben bis unten und antwortete dann in ihrem arrogantesten Tonfall: »Ich glaube nicht, dass ich ausgerechnet Ihnen Rechenschaft ablegen muss, oder sind Sie die rechtmäßige Herrin dieser Burg?«
Während Ellie empört nach Luft schnappte, hüpfte ihr mächtiger Busen auf und ab.
»Sie werden mir meine Fragen beantworten, hören Sie! Ein Wort von mir reicht, und Archie wirft Sie sofort aus dem Haus.«
Während Maureen überlegte, wie sie auf die impertinente Person reagieren sollte und ob Ellie wirklich so viel Einfluss auf den Alten hatte, sagte Archibald McCorkindale bestimmt: »Lass sie in Ruhe, Ellie. Sie hat Laura zurückgebracht. Alles andere ist egal.« Mit Erstaunen bemerkte Maureen ein Zittern in seiner Stimme. »Ich denke, wir sollten sie noch heute beerdigen. Wie lange, sagten Sie, waren Sie unterwegs?«
»Fünf Tage. Da das Wetter kühl und trocken war, denke ich, das trotzdem … die ...«
Maureen brachte es nicht über sich, das Wort »Leiche« auszusprechen, McCorkindale hatte sie jedoch verstanden. Er wies Ellie an, den Geistlichen von Degnish zu verständigen und den beiden Männern, die draußen warteten, den Weg zum Friedhof zu weisen.
»Bei der Beerdigung werde ich nicht anwesend sein können«, schloss er und blickte auf seine dürren, verkrüppelten Beine. »Aber ich bin froh, dass Laura wieder nach Hause zurückgekehrt ist.«
Wirklich?, dachte Maureen. Archibald McCorkindale entsprach so wenig der Schilderung ihrer Mutter, dass Maureen beinahe geneigt war, an der Geschichte Lauras zu zweifeln. McCorkindale vermittelte den Eindruck eines liebenden Vaters, der seine einzige Tochter vermisst hatte. Die schrecklichen Ereignisse lagen indes auch Jahrzehnte zurück,
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